Eklat im "Presseclub":"Sie sind ein ganz linker Finger! Sie mache ich fertig!"

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Der brüllende Deutsche und High noon im "Presseclub" - "Patriotisches Geschwafel" bescherte Spiegel-Ressortleiter Matthias Matussek einen Eklat, in dem es sogar zu Handgreiflichkeiten gekommen sein soll.

KAI-HINRICH RENNER

Der ARD-Presseclub im Ersten, am Sonntagmittag nach dem Frühschoppen, gilt gemeinhin als kultivierte Diskussionsrunde. Zwar fallen sich die geladenen Journalisten schon mal ins Wort, ansonsten aber ist ihr Verhalten tadellos.

Fühlte sich provoziert: Matthias Matussek vom Spiegel (Foto: Foto: ARD)

Die Ausgabe vom Pfingstsonntag war eine bemerkenswerte Ausnahme - vielleicht weil es am Thema, vielleicht aber weil es an einem der Diskutanten lag. Jedenfalls wurde in der Sendung (Thema: ¸¸Stunde der Patrioten - Die Deutschen entdecken wieder Nationalgefühl") nicht nur gebrüllt. Vielmehr ging die Auseinandersetzung, kaum waren die Kameras abgeschaltet, in die zweite, etwas heftigere Runde. Es rangen miteinander: Roland Tichy, stellvertretender Chefredakteur des Handelsblatt, und Matthias Matussek, Kulturchef des Spiegel, der sich seit einigen Tagen auf einer Promotiontour für seine aktuelle Patriotismus-Schrift (Wir Deutschen - Warum die anderen uns gern haben können) durch die Medien befindet.

Matussek hat rund um sein Buch, das rechtzeitig vor der Fußball-WM der besten Kicker-Nationen erscheint, viel erleben müssen. Im eigenen Blatt fand sein eigener Text mit griffigen Thesen zum eigenen Oeuvre keine Gnade, es wurde als ¸¸patriotisches Geschwafel" bewertet; er musste zu Springers Welt am Sonntag ausweichen. Dann verzögerte sich sein Auftritt bei Beckmann in der ARD um eine Woche, weil so viel Patriotismus angesichts wichtiger Einschätzungen von Fußball-Manager Rudi Assauer warten musste. Und schließlich scheinen manche Deutschen mit Wir Deutschen nicht viel anfangen zu können. Die Patriotismus-Debatte jedenfalls hatte man in dieser Republik schon mal eleganter.

Im Presseclub - mit der überforderten Moderatorin Monika Piel - fühlte sich Matussek zunächst von allgemein gehaltenen Bemerkungen des Handelsblatt-Manns Tichys provoziert. Nationalstaatskonzepte, sagte der Mann von der Tageszeitung, spielten in der Wirtschaft keine Rolle mehr, und das sei auch ganz gut so. Matussek analysierte prompt, Tichys Ansichten zeugten von ¸¸Fluchtverhalten", sie seien neurotisch. Da legte sein Kontrahent nach und entgegnete, mit Matusseks ¸¸engstirnigem Nationalismus" könne er nichts anfangen. Um die Contenance des Spiegel-Ressortleiters war es da geschehen. ¸¸Das nehmen Sie zurück!", brüllte er. ¸¸Unverschämt!" Und noch einmal: ¸¸Unverschämt!" Hatte er doch eingangs des Presseclubs sich gegen Nationalismus erklärt!

Nach Ende der Sendung, in der Matussek wiederholt andere unterbrochen hatte, ging der Streit in selten erlebter Form weiter. Handelsblatt-Vize-Chef Tichy sagt, Matussek habe ihn ¸¸hart am Oberarm angepackt und gegen den Tisch gedrückt", ja, er sei von ihm angebrüllt worden: ¸¸Sie sind ein ganz linker Finger! Sie mache ich fertig! Sie merke ich mir!" Tichy: ¸¸Ich habe mich bedroht gefühlt." Matussek - ein Kopf größer, viele Kilo schwerer - entgegnet, er habe Tichy nicht berührt. Er habe ihm lediglich gesagt: ¸¸Das war versuchter Rufmord. Das werde ich nicht vergessen."

Sicher ist, dass Spiegel-Leute im Presseclub schon eine bessere Figur abgegeben haben. Der für die Sendung verantwortliche WDR-Redakteur Michael Hirz erklärt, es habe ¸¸keine bedrohliche Situation" vorgelegen. ¸¸Das war eher eine Frage der Kinderstube. Herr Matussek hat ein sehr hohes Erregungspotential." Künftig werde man mit temperamentvollen Gästen vor der Sendung ein Gespräch über das ¸¸erforderliche Mindestmaß an bürgerlichen Umgangsformen" führen, so WDR-Mann Hirz.

Über Matusseks Macher-Qualitäten wird freilich beim Spiegel wohl weiter gestritten. In der aktuellen Ausgabe wird in der Spiegel-Bestsellerliste Matusseks Buch klein abgebildet und in der Bildunterschrift des von ihm geleiteten Kulturressorts als ¸¸witziges und kluges Plädoyer für einen modernen Patriotismus" gelobt. Damit paraphrasiert der Redaktionstext die in derselben Ausgabe - wenige Spiegel-Seiten vorher - erschienene Wir-Deutschen-Werbung des S. Fischer Verlags, der Matussek publiziert. Dessen ¸¸schwarz-rot-goldene Provokationen" seien ¸¸klug und witzig", schmeichelt dort Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.128, Dienstag, den 06. Juni 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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