Eine Polemik zur US-Wahl:Ein verhasster, lügenhafter, rücksichtsloser Präsident

Lesezeit: 2 min

Der Albtraum George W. Bush muss mit der Wahl am 2. November ein Ende haben. Von John le Carré

Womöglich gibt es sogar einen guten Grund - nur diesen einen -, George W. Bush wieder zu wählen: einfach, um ihn zu zwingen, mit den Folgen seiner schrecklichen Politik leben und über die eigenen Lügen Rechenschaft ablegen zu müssen.

Familie im Wahlkampf: Präsident Bush, mit (von li.) seinen Töchtern Barbara, Jenna und Ehefrau Laura. (Foto: Foto: AP)

Wie sollte man diesen Job einem Demokraten wünschen, der dann für den Irrsinn seines Vorgängers einzustehen hätte? Wahrscheinlich ist niemals in der Geschichte ein amerikanischer Präsident weltweit im Ausland so verhasst gewesen wie George W. Bush.

Die gute Sache missbraucht

Verhasst wegen seiner rücksichtslosen Alleingänge, seiner groben Missachtung internationaler Verträge, seiner gnadenlosen Gleichgültigkeit gegenüber den Hoffnungen und Zielen anderer Nationen und Kulturen, wegen seiner Geringschätzung weltumspannender internationaler Institutionen.

Verhasst aber vor allem, weil er die Sache des Anti-Terrorismus-Kampfes missbraucht hat, um einen illegalen Krieg - und nun Anarchie - über ein Land zu bringen, das, wie viel zu viele andere auf der Welt, unter einer furchtbaren Tyrannei zu leiden hatte, aber an den Geschehnissen des 11. September keine Schuld trägt.

Ein Land das keine Massenvernichtungswaffen besaß und mit Terrorismus bisher nichts zu schaffen hatte - außer als Verbündeter der Vereinigten Staaten in einem schmutzigen Krieg gegen Iran.

Zwei Wahlen, dieselbe Frage

Ist euer Präsident wirklich ein großer Kriegsheld, nur weil er es zuließ, von einer Hand voll verblendeter Ideologen manipuliert zu werden? Oder ist etwa Tony Blair ein großer Kriegsherr, weil er die britischen Truppen, seine Außenpolitik und obendrein die innere Sicherheit Großbritanniens ein und demselben hirnlosen Abenteuer ausgeliefert hat?

Ihr werdet im November wählen, wir in England im nächsten Jahr. In beiden Ländern wird aber das Wahlergebnis von derselben Frage abhängen: Wie lange können die Lügen noch ihre Wirkung entfalten, obwohl doch die Wahrheit schließlich ans Licht gekommen ist? Der Irak-Krieg war lange vor dem 11. September geplant worden. Osama bin Laden lieferte dafür nur den Vorwand.

Der Irak zahlte den Preis. Die jungen amerikanischen Soldaten zahlten den Preis. Die jungen britischen Soldaten zahlten den Preis. Das alles, weil unsere Politiker uns belogen.

Nichts einfacher als der Krieg

Doch Bush hat nicht bloß den Krieg seines Vaters auf eure Kosten fortgeführt, er hat euer Land auch finanziell ruiniert. Den Reichtum der Reichen ließ er ebenso wachsen wie die Zahl der Armen und Arbeitslosen. Euren Kriegsveteranen verwehrte er die verdiente Anerkennung, euren Kindern den Zugang zu Bildung und Ausbildung.

Mehr Amerikaner denn je sind heute ohne Krankenversicherung. Und jetzt unternimmt Bush alles, um seine Amtszeit in einem guten Licht erscheinen zu lassen, die Defizite zu verschleiern und die staatlichen Finanzreserven anzugreifen - um einen Krieg fortzusetzen, den ihm seine Berater dadurch schmackhaft gemacht hatten, dass sie ihm versprachen, man könne ihn entfachen und dann wieder löschen wie eine Kerzenflamme.

Unterdessen hat euer Heimatschutzgesetz im Handumdrehen Verfassungs- und Bürgerrechte zur Seite gewischt - Freiheiten, für die mutige Amerikaner zweihundert Jahren brauchten, um sie zu erringen und abzusichern. Um diese Bürgerrechte hat euch einst die Welt beneidet, die heute voller Entsetzen nicht nur auf Guantanamo und Abu Ghraib blickt, sondern auch fassungslos darauf, was ihr Amerikaner euch selbst antut.

"Fühlt euch nicht isoliert"

Doch fühlt euch bitte nicht isoliert von Europa, das ihr zweimal gerettet habt. Gebt uns nur das Amerika zurück, das wir geliebt haben, dann werden euch eure Freunde mit offenen Armen erwarten. Ihr solltet auch wissen, dass wir in England eure Albträume mit euch teilen, solange wir Tony Blair haben, der die gleichen Lügen anstimmt wie George W. Bush.

John le Carré gehört spätestens seit seinem Roman "Der Spion, der aus der Kälte kam" zu den großen Schriftstellern Englands. In Deutschland erschien von ihm zuletzt der Roman "Absolute Freunde" (List Verlag 2004). Deutsch von Eva Christine Koppold

© SZ vom 16.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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