Eine kleine Nachtkritik:Alles außer Tiernahrung

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Die einen werden eingesperrt, die andere wird wieder rausgelassen: Sabine Christiansen und das Dschungel-Camp - ein verzweifelt bunter TV-Abend zwischen zwei Neuauflagen.

Ruth Schneeberger

Es startet mit Verwirrung: Erst kommt Sabine Christiansen zu spät, und dann ist sie ziemlich aufgeregt. Ob es daran liegt, dass sie endlich wieder ins Fernsehen darf, oder daran, dass sie sich ein recht unmögliches Unterfangen ausgesucht hat - sie möchte den Zuschauern von "ihrem Jahr" 2008 berichten, das allerdings leider gerade erst angefangen hat -, wird ihr Geheimnis bleiben. Jedenfalls trägt sie anstelle des üblichen kleinen Cremefarbenen diesmal revolutionäres Dunkelbeige, ja man könnte es fast Senf nennen.

Zappen zwischen Staatszirkus und C-Promis: Sabine Christiansen und die Dschungel-Moderatoren Dirk Bach und Sonja Zietlow. (Foto: Fotos: ddp/dpa)

Mit Käse geht es weiter: Die Tannenbäume würden nun alle auf der Straße liegen, beginnt sie die Moderation, woher auch immer sie diese Weisheit beziehen mag, und nachdem klargestellt wurde, dass so ziemlich alles, was in Deutschland schon mal mediale Aufmerksamkeit genießen durfte, an diesem Abend zu Gast sein wird, darf Sabine Christiansen eine Weltneuheit verkünden: den Wetterbericht.

Jörg Kachelmann höchstselbst hat sich dazu aufgeschwungen, zu tun, was man als seriöser Meteorologe üblicherweise nicht tut. Er hat in die Sterne geblickt und eine Prognose für 2008 gewagt. Sein heißer Tipp: 2008 wird das kälteste Jahr seit 2000. Eine prima Gelegenheit für die Moderatorin, sich mit ihren Gästen über Erderwärmung und Klimawandel zu unterhalten.

Michael Mendl outet sich als Weltenretter und Reinhold Messner fordert Deutschland dazu auf, unbedingt Weltführer im Entwickeln von alternativen Energien zu bleiben - und der Rest von Deutschland schaut das Dschungel-Camp auf RTL.

Naja, nicht ganz, dort muss erst noch dringend Werbung laufen, also zurück zum Öffentlich-Rechtlichen, wo gerade, hoppla, Angela Merkel auf Großleinwand übertragen wird. Sie freue sich auf Olympia und sehe auch bei schlechter gestellten Deutschen keinen Grund zur Skepsis, schließlich werde die Wirtschaft weiter wachsen, lässt sie - ein wenig heiser - verlauten, und da hoppeln auch schon lauter optimistisch gestimmte kleine Kinder-Fußballer über die Bühne, gefolgt von asiatischen Akrobaten. Bei so viel Staatszirkus schauen wir doch mal, was das Private nun zu bieten hat.

"Ich bin ein Star - holt mich hier raus!" Mit dem Dschungel-Camp hat RTL einst für Aufsehen gesorgt. Das Big-Brother-Erlebnis für Reiche, bei dem verschollen geglaubte C-Promis in Haufen von Würmern wühlen und sich durch Schlingen schlängeln, stieß auf Empörung - vor allem bei Tierschützern. Dreieinhalb Jahre lang hatten sich die Bewohner des Regenwalds nun sicher geglaubt. Und jetzt die Neuauflage.

Wie es sich gehört, sind die Prominenten von vorgestern, so sie denn jemals welche gewesen sind. Und wie es sich weiterhin gehört, sind ein Testosteron-betontes Alpha-Männchen (DJ Tomekk), die Quoten-Blondine (Isabel Edvardsson), ein Camp-Rentner (Bata Illic), die Lager-Mutti (Barbara Herzsprung), die Skandal-Nudel (Michaela Schaffrath), ein Nesthäkchen (Ex-DSDS-Kandidatin Lisa Bund) und weitere Unbekannte dabei, um sich lächerlich zu machen.

Eine geschlagene Stunde Vorfreude

Welche ihre eigene Motivation ist, stellen drei der Kandidaten gleich zu Beginn am schönsten dar: Ex-Porno-Star Michaela Schaffrath (alias Gina Wild) verkündet, sie wolle im Camp erstmals das Nein-Sagen lernen, DJ Tomekk hofft, auf Tuchfühlung "mit den Mädels" gehen zu können, ohne den anderen zu sehr "auf die Fresse" hauen zu müssen - und Möchtegern-Popstar Lisa Bund sieht hierin ein "Riesen-Sprungbrett" für ihre "Karriere". Einzig Björn-Hergen Schimpf verschafft sich Sympathiepunkte, indem er bekennt: "Ich kenne hier keinen."

Eine geschlagene Stunde verbringt RTL mit Vorfreude und Vor-vor-Freude auf das Ereignis, und dann ist es endlich so weit: Die "Stars" dürfen ins Camp einziehen. Schon bei den ersten Gehversuchen vergießt das Nesthäkchen seine ersten Tränen, macht der Magen des Camp-Opas schlapp, spielt sich der Macho als Macho auf. Bei so viel Wunscherfüllung schalten wir noch mal um zur ARD, um zu sehen, wie sich Christiansen in ihrer neuen Rolle als Wahrsagerin macht.

Wir erfahren, dass 2008 neben dem Super-Sport-Jahr auch das Jahr der Klassik werden soll, weshalb Cecilia Bartoli zwischen Kastagnetten und falschem Feuer über die Bühne wirbelt. Schade, dass die Werbung bei RTL so lange dauert. Und da ist sie auch schon vorbei, Christiansens große Show "Mein 2008".

RTL macht seinem Namen alle Ehre, indem es DJ Tomekk, der sich vor Wasser fürchtet, in einen Wassertank sperrt und ihm, damit er sich nicht so alleine fühlt, ein paar nette Aale, Baby-Krokodile und andere glitschige Artgenossen zur Seite stellt. "Ihr Arschlöcher!", schreit der Angeekelte. "Ich hoffe, er meint den Aal", kommentiert leise Dschungel-Moderator Dirk Bach, einziger satirischer Lichtblick in dieser hoffnungslos hinterregenwäldlerischen Show.

Dass die Zuschauer wieder einschalten, dafür sorgt RTL: Wer mitansehen wollte, wie die süße Lisa Bund sich eklige Urwaldtiere in den Mund stopfen muss, der wurde für noch so langes Ausharren während der Werbepausen an diesem Abend nicht belohnt: Dieses Schmankerl wird erst beim nächsten Mal gezeigt.

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