Echo-Verleihung 2007:Wer will mein Feind sein?

Lesezeit: 3 min

Nein danke, Bushido, das will niemand. Aber RTL hat sich am Abend nicht nur Freunde gemacht. Indem der Privatsender die Echo-Gala nur angeblich live sendete.

Ruth Schneeberger

Man muss es dem Fernsehen nachsehen. Wäre ja auch zu schön gewesen, so eine Show zur besten Sendezeit. Und die ist nun mal sonntags um viertel nach acht, nach der Tagesschau. Also sagt RTL, es sende den deutschen Musikpreis live. Als Werbung, im Vorspann - und auch dann noch, als man irritiert nachfragt, warum alle Nachrichtenagenturen die Show, die gerade im Fernsehen läuft, offenbar schon zwei Stunden vorher gesehen haben. "Wir senden auf jeden Fall live", heißt es aus Köln. War wohl aber doch nicht so.

Nun sind Köln und der Übertragungsort Berlin durchaus mehr als zwei Stunden voneinander entfernt, zumindest mit dem Auto - und außerdem wurde ja eine Nacht zuvor erst die Sommerzeit umgestellt. Also muss man RTL eigentlich danken, dass es für Langschläfer die Uhr nochmal zurückdreht, und dann gleich um zwei Stunden.

Dankbar also widmen wir uns diesem Abend und dem Musikpreis, um den es ja eigentlich gehen soll, dem deutschen Pendant zum US-Grammy. Hier werden diejenigen Damen und Herren der Musikbranche geehrt, die durch besonderen Erfolg und/oder durch besondere Qualität von sich hören ließen.

Trend zum Schulkind

Der Trend zum Schulkind hält also weiter an: Als deutsche Rock-/Pop-Künstlerin des Jahres wird die blonde Sängerin "La Fee" geehrt. Wer ist "La Fee"? Sie ist 16 Jahre alt und kommt aus Stollberg bei Aachen. Hat stylishe Gruftie-Bandmitglieder und mehrere Roben im Gepäck. Trägt zur Preisverleihung ein lindgrünes bodenlanges Rüschenkleid und weint, als sie ihren Eltern, dem lieben Gott und der Bravo dankt. Verwandelt sich bei ihrer Sangeseinlage vom weißen Engelchen zum rot-schwarzen Teufelchen. Und singt darüber, wie es ist, "wenn Engel kreischen".

Der männliche Preisträger "bester Rock-/Pop-Künstler": Roger Cicero. Kann man schon besser einordnen. Softie-Macho mit Hut, macht seine Sache gut: Er bringt Frauenherzen zum Schmelzen und Musikkritiker mit schwungvollen Swing zum Schnalzen. Lässt sich auf der Aftershow-Party dabei erwischen, dass er rein gar keinen Alkohol trinkt, was die RTL-Reporterin kaum fassen kann.

Gegen Alkohol sprechen sich auch die Söhne von Uwe Ochsenknecht aus, die dazu auserkoren sind, eine "krasse" Laudatio zu halten für einen Mann, von dem man nie weiß, wie er reagiert. Doch Bushido kommt im beigen Anzug und ist auch ansonsten ganz versöhnlich. Der Skandal-Rapper erzählt Reportern stolz, dass er sein Armband in der Schweiz zum Sonderpreis von 200 000 erstanden habe, küsst seine Bandmitglieder, die ebenfalls dunkle Sonnenbrillen tragen, wie ein Pate, und singt auf der Bühne, umringt von Flammen, die wohl an brennende Mülltonnen erinnern sollen, "Wer will mein Feind sein?". Will ja gar keiner, nein danke.

Der Po der Diva

Was aber alle wollen: Den Auftritt von Jennifer Lopez sehen. Man war schon für Diven-Attacken gewappnet, bekommt aber ein überaus freundliches Glamour-Girl präsentiert, das dem Publikum sogar noch einen weiteren Gefallen tut: Es überrascht. Mit einem Auftritt im spanischen Romantik-Look, der wohl verheißen soll: Achtung, heiß! Trotzdem hatte man damit nicht gerechnet, und ist erst wieder beruhigt, als Lopez berühmtester Vorzug in Großaufnahme im Bild erscheint, zum Abschluss und gekonnt in schwarzer Lederhose in Szene gesetzt: ihr Hinterteil.

Und dann, unvermeidlich: Tokio Hotel. Wie erwartet, wird wie von Sinnen gekreischt, sobald ihr Name fällt. Warum das so ist, darüber wird auch dieser Abend keine Auskunft geben. Die Jungs bekommen einen Preis für ihr Video und haben Thomas Gottschalk im Schlepptau, der mal wieder eine Wette verloren hat und deshalb ihren Manager spielen muss.

Gut, dass er da ist, da kann er gleich eine Laudatio für Yusuf Islam halten, der mal Cat Stevens hieß und auch einen Echo bekommt. Das hat im Vorfeld Ärger gegeben, weil Yusuf alias Cat nach seiner Konvertierung zum Islam sich mal böse gegen Salman Rushdie geäußert hat. Gottschalk dazu: "Man muss nicht alles so ernst nehmen, was Popstars sagen", solange sie ihre verqueren Lebensphilosophien nicht in ihre Lieder einbauen würden. "Das hat dieser Mann nie getan." Also: ein Preis für sein Lebenswerk.

Tränen der Rührung

Den bekommt auch der Münchner Ralph Siegel, und hier wird es nun wirklich rührend: Schlagersängerin Nicole, die vor 25 Jahren mit einem Siegel-Song, bisher als einzige Deutsche, den Grand Prix gewonnen hat, hat schon bei der Laudatio rote Augen. Dann kommt Siegel, peinlich berührt mit den Händen in den Taschen, auf die Bühne, und weint noch viel mehr. Spätestens als der Mann, der 30 Millionen Tonträger verkauft hat, und "Lieder für die kleinen Leute" macht, von seiner kleinen Tochter Alana den Echo überreicht bekommt, brechen nicht nur bei ihm alle Dämme.

Nicht nur ein bisschen Frieden, sondern ganz viel davon hat sich Sänger Bono auf die Fahnen geschrieben, wofür er nun einen Sonderpreis bekommt: den Echo für sein soziales Engagement. Wurde auch mal Zeit, dass darüber gesprochen wird. Außerdem erfährt man bei RTL, dass der Mann mit der ewig roten Sonnenbrille Plateauschuhe mit Korkabsatz trägt.

Die Liste der Gewinner ist lang, doch nicht alle sind erschienen: Robbie Williams bekommt einen Echo als bester internationaler Künstler, taucht aber genauso wenig auf wie die Red Hot Chili Peppers als beste Band oder Eminem als bester Hiphoper. Dafür freut sich Katie Melua artig im Feenkleid über den Preis als beste internationale Künstlerlin, und die Band Silbermond entschädigt mit gleich zwei Preisen, unter anderem für den besten Hit, der auch noch "Das Beste" heißt, für einiges: Dies ist mal ein feines Lied. Und mehr wollen wir ja gar nicht.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: