DVD: Anastacia "Live at last":Die Blonde und die Bombe

Lesezeit: 2 min

Professionelles Popkino vor 30.000 Menschen: Anastacia hüpft wie ein Gummiball und wird am Ende gar politisch.

Frederic Huwendiek

Anastacia, der blonde Engel aus Chicago. Nicht so stümperhaft-unbedarft wie Christina, nicht so peinlich-rosa wie Britney. Geerdet wirkt sie. Fast schon konservativ, bürgerlich. Wie von nebenan. Eine bodenständige und smarte Arbeiterin im Weinberg des Pop.

Diese kleine Frau mit der starken, großen Stimme vor 30.000 enthusiasmierten Menschen. Vor Kindern im Vorschulalter und Grundschulpädagogen in der Midlife-Crisis. Mal hüpfend wie ein Gummiball, dann lasziv Becken kreisend.

Ein Sound-Topf mit der nötigen Prise Rock

Mal in Hiphop-Pants, mal in einem schwarzen Hauch von Nichts mit Blume im Haar. Vielseitig und unterhaltend ist das, was Anastacia auf ihrer DVD 'Live at last' präsentiert. Unabhängig davon, ob man ihre Musik mag oder nicht.

Wie es einem großen Popstar gebührt, kreisen Kamerakräne über die Zuschauermassen, setzt dramatisches Licht die Blonde in Szene, tanzen sehnige Männlein und Weiblein streng durchchoreographiert hinter ihrem Rücken. Eine überaus professionelle Backingband fiedelt Solo um Solo und verleiht manchem ihrer überproduzierten Dancepop-Nummern einen ganz neuen Charme.

Diese Musiker sind es auch, die Anastacias Sound-Topf die nötige Prise Rock beimischen, um ihn zu einem schmackhaften Gebräu werden zu lassen. Das auch nach einer Stunde noch zu munden weiß. Immer wieder verschwindet die Sängerin von der Bühne, um dann überdimensioniert von der Videoleinwand herabzulächeln. Währenddessen versuchen sich Artisten an einer körperlichen Interpretation der Songs. Entwickeln sich in luftiger Höhe aus Stoffballen, staksen wie phantastische Wunderwesen mit langen Stelzen über die Bühne.

Einzig bei einem ihrer letzten Lieder verhebt sich Anastacia: Zu "I do" flackern Atombombenpilze und Bilder von verhungernden Kindern über die Bildschirme. Anastacia trägt ein ultraenges rotes Stück Stoff und einen albernen Hut.

Betend für den Weltfrieden

Am Ende kniet sie nieder, ein von einer Kinderstimme vorgelesenes Gebet schiebt sich über die Leinwand: "In the mighty name of Jesus Christ...". Für Politik - egal wie gut gemeint dieses Statement sein mag - ist in einer solch perfekten Pop-Show einfach kein Platz.

Auf der zweiten DVD findet sich das übliche "Behind the scenes"-Material: Anastacia stellt ihre Crew vor. Anastacia plaudert über dies und über das. Über ihre Ängste, die Proben zur Tour und ihre Stimme. Das, was auf der Hülle vollmundig als "Alternate Videos" angekündigt wird, entpuppt sich als zusammengeschnippeltes Live-Material von unterschiedlichsten Auftrittsorten - absolut überflüssig.

Sicherlich haben schon dutzende R'n'B-Prinzessinnen vor ihr ein ähnliches Programm abgeliefert. Sicherlich ist diese Doppel-DVD wohl eher Standardware, denn innovativ. Aber: Selten war Popkino so perfekt. Und die Hauptdarstellerin so sympathisch.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: