Dschungel-Show: "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus":Riesenmaden auf C-Prominenz

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Die neue Staffel der RTL-Dschungelshow setzt auf alte Konzepte: Erniedrigung und Sadismus. Dabei fällt auf: Je intelligenter der Zuschauer, desto weniger interessiert ihn die Sendung.

Eva Marz

Auf der Website zur Show, dschungelcamp.com, ist vorab zu lesen: "Ganz Deutschland ist gespannt, wie ekelig und abartig diesmal die Dschungelprüfungen ausfallen. Wir halten dich darüber informiert, natürlich mit Bildern und Videos." Es gehört zur Öffentlichkeitsarbeit sogenannter Event-Programme, zu suggerieren, dass "ganz Deutschland" einschalte, wenn sie laufen.

Dirk Bach und Sonja Zietlow moderieren die dritte Staffel des Dschungelcamps. (Foto: Foto: dpa)

Das als Dschungelshow bekannt gewordene, an diesem Freitag in die dritte Staffel gehende RTL-Programm Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! erreichte im Durchschnitt fünf Millionen. Das ist eine prima Quotenzahl. Gemessen an den insgesamt 82 Millionen Deutschen nimmt sie sich trotzdem klein aus. Von "ganz Fernsehdeutschland" zu sprechen, käme der Sache näher. Bloß wäre das eben wieder eine Community, die wenig heldisch klingt und der keiner gerne angehören will.

Der Eventcharakter der vergangenen Dschungelcamps lag weniger darin, dass so viele Leute eingeschaltet hätten, als im Heißlaufen der Medienmaschine. Wegen grenzwertig unanständiger Inhalte meldeten sich besorgte Tierschützer und Landesmedienanstalten zu Wort. Tägliche Berichterstattung war - auch dank offenen Medienverbunds etwa mit der Bild-Zeitung - garantiert.

Auch die dritte Staffel der Show, die als selbstbewusstes Trash-Fernsehen bezeichnet wurde, folgt der bewährten Anordnung, nach der zehn sogenannte B- oder C-Prominente für zwei Wochen in einem kameraüberwachten australischen Buschcamp hausen. Die Grunderfahrung, die sie dort erwartet, berichtete der frühere Hochspringer Carlo Thränhardt nach seiner Teilnahme, ist die der Langeweile und des Wartens. "Die Langeweile zu ertragen, war die größte Dschungelprüfung. Nur einer hatte am Tag eine Stunde was zu tun, und die anderen mussten warten." Der Reihe nach sind spektakuläre Mutproben zu bestehen - etwa wie Daniel Küblböck in einem Glassarg liegen, der langsam mit 30 000 Kakerlaken gefüllt wird. Denn im Buschcamp droht dem Kandidaten ein Rausschmiss nach schlechtem Abschneiden beim Telefon-Voting der RTL-Zschauer.

Beim Blick auf die Namen der Teilnehmer an Staffel drei fällt auf, dass sie alle in irgendeiner Hinsicht "ehemalig" sind: Michaela Schaffrath ist die Ex-Pornodarstellerin Gina Wild, Eike Immel ist Ex-VfB-Stuttgart-Torhüter, Barbara Herzsprung ist die mit Boulevard-Lärm geschiedene Ex-Gattin des Schauspielers Bernd Herzsprung und Ross Antony ein Ex-Bro'Sis Mitglied. Die Vorabberichterstattung über die Show und ihre Kandidaten warf ein Schlaglicht auf Biographien von Menschen, die eine Zeit lang prominent waren.

Deren Gegenwart aber geprägt ist von kostspieligen Ehescheidungen, straffälligen Kindern, Schulden, Privatinsolvenz und Operationen, für die das Geld fehlt. Die reine Hoffnung auf Sanierung scheint die Gladiatoren in den Dschungel zu treiben. Es geht um Sympathiewerte und Geld, je nach Aufenthaltsdauer geschätzte 15 000 bis 90 000 Euro. Alle Teilnehmer seien Medienprofis, die das Geschäft kennen, sagte Dirk Bach, der die Sendung zusammen mit Sonja Zietlow moderiert, schon 2004, für Mitleid gebe es keinen Grund.

Je gebildeter ein Zuschauer, desto weniger interessiert ihn die Dschungelshow, brachte die Zuschauerforschung hinsichtlich der beiden ersten Staffeln heraus. Es wird niemanden überrascht haben. Eigene Misere befördert die Bereitschaft, Gefallen an Programmen wie diesem zu finden, bei denen es am Ende eben um Erniedrigung, Zirkus, Gladiatorenkämpfe und um Sadismus geht.

Reflexion und Rache eigenen Nicht-Genügens und selbst erfahrener Kränkungen: Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! ist das Fernsehen der Gekränkten und Beleidigten. Zugleich hat die Show einen Sport-Charakter. Sie inszeniert eine Athletik des Widerwärtigen - wie viele Riesenmaden kann ein Kandidat hinunterwürgen?

Was hier gelingt, ist das Ansprechen der niedrigen Sensorien bei dem Zuschauer, der gemüseartig und innen leer auf dem Sofa liegt und sich mit nichts beschäftigen mag: eine Show als scharfes Gewürz für ermattete Seelen und Geisteszustände.

© SZ vom 11.1.2008/kur - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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