Das war die BRD (17):Racke Rauchzart

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Das Feuerwasser der frühen Jahre: Mild und mit bescheidenem Sexappeal erfolgreich bei anständigen Bürgern.

Stefan Gabanyi

(SZ vom 11.04.2001) - Eigentlich fängt die Geschichte in den USA an, in den zwanziger Jahren: Die Prohibition hatte damals die dortige Whiskey-Industrie abgewürgt, und das Land wurde von geschmuggelten Scotch überschwemmt. Natürlich war das Zeug meist gepanscht, überteuert und nur auf kriminellem Wege zu erwerben, doch die Gier war stärker als jede Vernunft. So wurde schottischer Whisky zum Inbegriff der Selbstbestimmung, zum natürlichen Begleiter des großstädtischen Einzelkämpfers und nicht zuletzt zu einem Symbol wahrhaft freier Marktwirtschaft.

Kultflasche aus den 60er-Jahren. (Foto: N/A)

Und so kam er dann auch zu uns, damals, als die Weltanschauung vom Way of life in die Schranken verwiesen wurde. Nicht dass Whisky früher in Deutschland gänzlich fremd gewesen wäre: Die Berliner Schickeria der zwanziger Jahre kannte ihn aus noblen Hotelbars, und die Nazis hatten sich in der Herstellung von "Deutschem Rauchkorn" versucht. Aber es bedurfte erst der Institutionalisierung westlicher Zivilisationsstandards durch die Siegermächte, um den Whisky hierzulande marktfähig zu machen. Nach dem Ende des deutschen Terrors waren es gerade die fremdländischen Vokabeln und Genüsse, die eine Identifikation mit den neuen Werten ermöglichten und neue Rollenvorbilder transportierten. Eines davon war der abgebrühte Kerl unter dessen rauer Schale sich ein sentimentaler Kern versteckte, und das kam vom Whisky, das sah man im Kino. Harte Männer tranken das Zeug pur, und wenn sie zu viel davon erwischt hatten, wurden sie redselig und bekamen diesen Hundeblick. Dann war da noch der weltgewandte Partylöwe, der Whisky-Soda trank und versuchte, wie David Niven rüberzukommen, es bestenfalls aber auf Heinz Drache brachte. Und schließlich noch die wilden Jungs mit Jeans und Moped, die ihre Cola gern mit Whisky aufgepeppt hätten, wenn sie es sich denn hätten leisten können.

Das Problem waren die hohen Importzölle, die Whisky zu einem echten Luxusartikel machten. Zum Prestige-Getränk der frischgebackenen Wirtschaftswunderkapitäne, zum Glamour-Ausweis jener Filmstar-Generation, die die neue Moral verkörperte. Whisky war sündhaft und sexy und nur in der großen Welt zu haben. Die hielt sich bevorzugt an Orten auf wie dem Swimmingpool und dem Partykeller, den modernen Institutionen luxuriöser Freizeitgestaltung.

So ein Partykeller war undenkbar ohne Scotch und Crackers, "Negermusik" und schummrige Beleuchtung. Leere Whiskyflaschen, am liebsten solche der Marke Vat 69, wurden zu Kerzenhaltern umfunktioni ert, denn zum Wegwerfen waren sie viel zu schade.

Der Entwurf eines neuen Lebensstils war also da, nur an der massentauglichen Umsetzung fehlte es noch. Nun schlug die Stunde der Firma Racke, einem alten Bingener Weinhandelshaus in Familienbesitz. Die Rackes importieren schottischen Malt Whisky - die geschmacksgebende Basis jedes Blended Scotch -, verschnitten ihn mit deutschem Getreidebrand und boten das fertige Produkt als Red Fox Whisky an. Zum halben Preis dessen, was ein echter Scotch damals kostete.

Das war im Jahre 1958 und bescherte der Firma sofort einen Riesenerfolg und einigen Ärger mit den schottischen Interessenverbänden, die wegen des englischen Namens eine Irreführung ihrer Kundschaft befürchteten. Racke lenkte ein und behielt nur das Logo mit dem roten Fuchs auf dem Etikett, nannte die Marke fortan aber Racke Rauchzart. Das war nun wirklich ziemlich clever. Der Name Rauchzart traf die aromatischen Eigentümlichkeiten von Scotch ziemlich genau, und der Fuchs bediente das Klischee von britischer Upper-class-Marotte ebenso gut wie das von anheimelnder deutscher Waldeslust.

Der Geschmack der frühen Jahre

Racke Rauchzart kam 1961 heraus, und auch er war auf Anhieb ein Renner. Dass er milder schmeckte als die meisten der damals in Schottland üblichen Blends, war eher von Vorteil, und dass er nicht über den Sexappeal von echtem Scotch verfügte, hatte auch sein Gutes: So konnte sich jeder anständige Bürger sein tägliches Quantum Abenteuer genehmigen, ohne in den Ruch von Ausschweifung und Verschwendungssucht zu geraten (das hieß natürlich noch lange nicht, dass auch Frauen Whisky tranken - Hildegard Knef und Konsorten mal ausgenommen; die Damenwelt blieb doch bitte bei Likören, Bowlen und süßen Cocktails). Der deutsche Mann jedenfalls hatte es gut, denn mit einem Racke-Cola stand er auf der Seite der Freiheit, signalisierte aber gleichzeitig jene Bescheidenheit, die nach 12 Jahren großdeutschen Wahns plötzlich zur Tugend geworden war.

Im Laufe der sechziger Jahre wurde die Marke zum Selbstgänger. Die Zahl der Partykeller wuchs, und mit ihr die Erkenntnis, dass Racke Rauchzart und gesalzene Erdnüsse eine unschlagbare Mischung abgeben (jede Menge Bier zum Nachspülen inklusive selbstverständlich - das macht der Schotte auch nicht anders). Die Firma Racke legte nach und brachte "rauchzart mit" heraus, einen vorgemixten Whisky-Soda in Portionsfläschchen. Der floppte ebenso wie der wenig später lancierte Bourbon Old Red Fox, der eigens aus Kentucky importiert wurde. Racke Rauchzart hatte sich durchgesetzt, weil er außer Durst auch weitergehende Sehnsüchte zu stillen versprach, die beiden Nachfolgemarken dagegen waren bloß zwei neue Produkte auf einem zunehmend prosperierenden Markt.

Immer mehr echte Scotchs drängten nun auf den Markt, und immer mehr Konsumenten waren bereit, dafür auch mehr Geld auszugeben. Mit der aufgeklärten Jugend der siebziger Jahre verabschiedete sich dann eine große Gruppe potenzieller Käufer von den alten Idealen. Sie stieg auf Metaxa und Persico um oder vergnügte sich gleich mit anderen Rauschmitteln.

Whisky bekam einen etwas spießigen Hautgout - selbst die DDR stellte so etwas jetzt her: Zum Beispiel den Falckner von der VEB Edelbrände, den es hin und wieder gab, und den Smoky Springs aus Nordhausen, den es im mer gab, allerdings nur für die Nomenklatura - die Puhdys unter den Whiskeys.

Den nächsten Schlag bekam Whisky von der Fitness-Welle versetzt. Wenn überhaupt Alkohol, dann leichter Weißwein oder Wodka, hieß es nun. Wodka wurde der große Renner, gleichermaßen beliebt bei Punks wie bei Yuppies (erstere waren allerdings nicht so zimperlich, was die Wahl der Dröhnung anging).

Die Rackes reagierten darauf, indem sie die Bezeichnung Whisky auf dem Etikett immer kleiner werden ließen. Rauchzart war nur noch eine Marke von vielen, allerdings eine, die mit ihrem biederen Image so etwas wie Kontinuität in der Welt der Neuen Übersichtlichkeit verhieß. Wohl nur durch Zufall entging sie der kultischen Verehrung, die in den achtziger Jahren diversen Relikten der fünfziger entgegengebracht wurde, um der allgemeinen Hilflosigkeit einen irgendwie lustigen Anstrich zu geben.

Nach der Wende war auch damit mehr oder weniger Schluss. Deutschland war erwachsen geworden, und für Sentimentalitäten ist nun kein Platz mehr. Erfolg ist das Einzige, was zählt, und erfolgreiche Menschen haben wenig Zeit zum Trinken.Und wenn schon, dann muss es etwas Exklusives sein, schottischer Single Malt zum Beispiel.

Auch diesmal reagierte Racke richtig und verbesserte die Qualität des Whiskeys. Racke Rauchzart wird heute ausschließlich aus schottischen Destillaten zusammengestellt und rangiert - ohne nennenswerten Werbeaufwand - noch immer unter den fünf meistverkauften Whiskeys der Republik.

Noch in Zeiten, in denen jede Provinz-Bar ihren Malt-Whisky auf der Karte hat, erreicht Rauchzart sein Publikum. Man spricht nicht darüber, aber getrunken wird er trotzdem.

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