Das Leben der Anderen:Der tiefe Fall des Bob B.

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Alle fürchten sich vorm Abgrund, nur nicht Bob, der macht hopp: Beim kühnsten Skateboard-Trick aller Zeiten springt ein Mann über eine Schanze in den Grand Canyon hinein. Zu sehen in "base jump skateboard grind", dem Internetvideo der Woche.

Christian Kortmann

Sie lagen am Strand und sahen den Surfern zu: Konnte man sich so elegant nicht auch durchs Dickicht der Städte bewegen? Deshalb schraubten sie Rollen unters Brett und suchten sich Hügel und Wellen im Asphalt, um über sie hinweg zu schweben.

Skateboardfahren entstand in Kalifornien aus der Nachahmung des Wellenreitens: Die Fahrer berührten mit den Händen die Straße, so wie die Surfer in Schräglage ins Wasser griffen. Später wurden die Skater wiederum von Snowboardern imitiert. Doch die bauten gleich viel größere Schanzen, die den Big Waves auf Hawaii glichen. Solche Wellenmonster wollten die Skater auch haben!

So entstand in jüngster Zeit das Megaramp-Skaten auf Schanzen, die weite und hohe Sprünge ermöglichen, wie sie kein Mensch zuvor gesehen hat. Der Meister dieser neuen Disziplin heißt Robert Dean Silva Burnquist. Der 30-jährige gebürtige Brasilianer lebt in Kalifornien und ist etwa durch eine Looping-Rampe gesprungen, einen zwischen 11 und 1 Uhr Position geöffneten vertikalen Holzring: ein Trick, den es zuvor nur im Computerspiel "Tony Hawk's Pro Skater 4" gab.

Bei seinen Sprüngen ist Bob Burnquist gut gepolstert und trägt am ganzen Körper Neopren, um sich vor der Reibungshitze bei möglichen Stürzen zu schützen. Kontinuierlich entwickelt Burnquist wie einst Evel Knievel Ideen für neue Tricks, die stets eine spezielle Hardware erfordern: Deshalb ist Bob nicht nur Hochrisiko-Skater, sondern auch meisterlicher Ingenieur.

Zuerst baut er seine Ideen in die Welt, fantastische Rampen, die man auch als Holzskulpturen im Museum zeigen könnte, weil sich in ihnen fantastische menschliche Möglichkeiten manifestieren. Konsequent verwebt die Schnittfolge des Films den Bauprozess und die Ausführung des Tricks, die die Gültigkeit der Idee beweist.

Wenn man irgendwo spektakulär tief runterspringen will, sucht man sich am besten den berühmtesten Graben der Welt: Also ging Bob zum Grand Canyon. Dort, wo Zäune die Touristen vorm Abgrund warnen, und jeder ein paar Schritte Sicherheitsabstand hält, ist die Demonstration von Ingenieurskunst, Mut und motorischem Skill besonders beeindruckend.

Die Zusammenstellung von Skateszenen am Anfang von "base jump skateboard grind" zeigt, wie Burnquist sich an sein bislang kühnstes Projekt herangetastet hat: Es ist keine irre leichtsinnige Kopfgeburt, sondern die konsequente Folge eines Œuvres. Zum 11. Geburtstag bekam er ein Skateboard geschenkt, von da an wurden seine Ideen immer gewagter.

"Und jetzt willst du in den Grand Canyon hinunterspringen?", wird Bob im Film gefragt. "Yeah", antwortet er ganz selbstverständlich, "in den Grand Canyon hinein."

Das wird ihm eine Leere sein

Der Film zeigt die Vorbereitung für den kühnsten Skateboard-Trick aller Zeiten: Burnquist wird über eine Rampe springen, auf einer stählernen Schiene, dem so genannten Rail, rutschen, um eine vorstehende Klippe zu überwinden. Dann stürzt er 500 Meter tief in den Canyon und löst hoffentlich rechtzeitig den Fallschirm auf seinem Rücken aus.

Vor Rasterpapier sieht man das bei Filmstunts übliche Storyboard, auf dem Burnquist den Trick genau plant: Man denkt, so etwas sei nur als Animation machbar, aber niemals in der Realität. Allein diese Bilder sind ungeheuer kunstvoll, sie zeugen von Fantasie, Umsetzungsfreude und dem Vertrauen in außergewöhnliche körperliche Fähigkeiten. Man sieht das Schweißgerät, Funken sprühen, Männer sprechen in Funkgeräte, Teamwork, Wertarbeit made in USA.

Schließlich sagt ein Mitarbeiter "It's showtime!" ins Walkie-Talkie, womit er den Trick nicht zur risikolosen Schau verharmlost, sondern zeigt, dass er fest an ihre gute Arbeit glaubt.

Der Tonspur ist verstärkt: Bob rauscht auf dem Skateboard so laut heran wie ein Schnellzug. Der erste Versuch misslingt, sofort fließt die empirische Erkenntnis in die Theorie ein: Die Rampe wird verbessert, um zwei Fuß erhöht, die Rail-Krümmung verändert.

Dann der nächste Versuch: Bobs familiärer Anhang verfolgt den Stunt gebannt. Schon als er das Rail verlässt, brechen alle in Jubel aus, weil sie wissen, es ist Bob, und Fliegen, das kann er ja.

"I am not afraid of dying, but I love living", sagt Bob Burnquist. Wie Odysseus in der Sage ist er Zimmermann und Abenteurer: Er vereinigt in seinem Werk List, Mut und Fähigkeiten als Handwerker, Skater sowie Frei-Springer. Es bedurfte dieses breitgefächerten Know-hows, um seine Sportart noch einmal ein Stückchen weiter over the edge zu drücken.

Ein Skater, der den Luftraum erobert, ist im Wettstreit um die freieste aller Sportarten dem Snowboarden und Surfen wieder einen Schritt voraus.

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