Das ist schön:Wasserleiche im Zug

Lesezeit: 2 min

Eine vergnügliche Bahnfahrt mit der Krimi-Autorin Rita Falk

Von Sabine Reithmaier

Ein Autor, der an einem Tisch mit Wasserglas liest, ist langweilig. Zugfahren ohne Unterhaltung auch. Das dachten sich jedenfalls die Verantwortlichen der Bayerischen Oberlandbahn und des Deutschen Taschenbuchverlags (dtv) und entschlossen sich zu einer gemeinsamen Problemlösung. Deshalb muss Rita Falk an diesem Vormittag am Service-Desk des Meridians nach Rosenheim stehen und darauf warten, aus ihrem neuen Eberhofer-Krimi vorlesen zu dürfen.

Erst ab München-Ost, sagt der BOB-Geschäftsführer und kündigt den Mitfahrern einen berühmten Gast an Bord an. Noch ist Rita Falk also ein Rätsel. Fast wie ihr unglaublicher Werdegang. 2010 war sie noch eine arbeitslose Bürokauffrau in Landshut, jetzt ist sie eine anerkannte Bestsellerautorin und ungemein fleißig: Vor sechs Jahren erschien mit "Winterkartoffelknödel" ihr erster Krimi, im Zug präsentiert sie mit "Weißwurstconnection" den achten Fall; zwischendurch hat sie noch zwei andere Romane geschrieben.

Zehn Bücher in sechs Jahren, dazu an die 200 Lesungen - die Frau ist auf jeden Fall sehr diszipliniert. Und Niederkaltenkirchen, ihr fiktives niederbayerisches Dorf inzwischen überall, behauptet eben die Verlagssprecherin, als sie den Zugfahrern die Autorin ankündigt und auf die Homepage von Franz Eberhofer, Falks schrägem Helden, hinweist.

Bequem ist das ja nicht, in einem schwankenden Zug im Stehen zu lesen, den Hörer für die Durchsagen ans Ohr geklemmt. Aber Rita Falk setzt sich ihre rote Brille auf und legt tapfer los. Weil bis Rosenheim nur noch 25 Minuten Zeit bleiben, startet sie gleich mit dem zweiten Kapitel, in dem das Mordopfer gefunden wird. Ausgerechnet in einer Badewanne im "Heimatwinkel", jenem Hotel, das die Niederkaltenkirchner, Eberhofer eingeschlossen, in den vergangenen Folgen entschieden, aber erfolglos, zu verhindern suchten.

Doch, es ist schon ein ganz spezielles Vergnügen, aus den Zugfenstern auf die sonnigen, mit Schnee überzuckerten Berggipfel zu blicken und dabei der detaillierten Beschreibung einer aufgeblähten Wasserleiche zu lauschen. Händen und Füßen könnte man "mit der bloßen Hand die Haut abziehen, grad so als wären es Handschuh und Socken." Nun ja, Eberhofers drastische Sprache wäre jetzt ein eigenes Kapitel. Ob es nach so vielen Folgen noch Spaß macht, für ihn Sprüche zu erfinden? Schon, sagt Rita Falk später im Gespräch. "Das ist schon fast Heimat für mich." Seitdem drei der Krimis verfilmt wurden, sei das Schreiben sogar leichter geworden. "Ich habe die Schauspieler und die Örtlichkeiten vor Augen." Allerdings - sie schaut kurz aus dem Fenster, bevor sie weiterredet: die Pausen von Franz und der Oma seien schon wichtig. Aber Schreibblockaden - sie schüttelt den Kopf. So etwas kennt sie nicht.

Rita Falk genießt ihre Berühmtheit. "Ich leb' das intensiv und sehe das als Privileg", sagt die 52-Jährige, natürlich auf Niederbayerisch. Ihrem Dialekt konnten zum Glück weder Auftritte noch Interviews etwas anhaben, ihre geerdete Ausstrahlung hat sie über dem ganzen Trubel nicht verloren.

In Rosenheim flüchtet sie kurz auf den Bahnsteig. Kurze Pause, bevor sie auf der Rückfahrt wieder liest. Ihr Mann Robert, der lässige Ex-Polizist, der angeblich gar keine Ähnlichkeit mit Eberhofer hat, zündet ihr eine Zigarette an. Dann rauchen sie gemeinsam. Das sieht sehr stimmig aus. Die beiden basteln bestimmt immer gemeinsam an Eberhofers subversivem Charakter. Natürlich nicht am Bahnsteig, aber sonst, im Alltag. Und das ist irgendwie doch schön.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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