Man muss kein Prophet sein, um bereits in diesen nasskalten Apriltagen den Wiesn-Hit des Jahres 2016 vorherzusagen. Im Grunde reicht es schon, sich eine Zahl zu vergegenwärtigen, sie lautet 13 942 650. Ebendiese Zahl (Stand 28. April) steht für den ungeplanten, allein durch die Kraft des Netzes ermöglichten, und somit sehr fulminanten Überraschungserfolg eines Austro-Pop-Duos, dessen Profession eigentlich gar nicht im Musikalischen liegt. Christopher Seiler und Bernhard Speer aus Bad Vöslau sind Komiker (Seiler) respektive Filmemacher (Speer), was die beiden aber nicht davon abhielt, als Seiler und Speer mit "Ham kummst" einen Youtube-Hit zu landen, dessen Klickzahl die Anzahl der Bürger Österreichs locker übersteigt.
Es folgten Vierfach-Platin für ihr Debüt, zahlreiche "Ham kummst"-Remixe sowie eine so gut wie ausverkaufte Tour durch Österreich und Süddeutschland. Und ja, "Ham kummst" bringt tatsächlich alles mit, um mit Glanz und Gloria in die Festzelte einzuziehen. Es verquirlt irrsinnig eingängigen, konsensfähigen Après-Ski-Austro-Pop á la Wolfgang Ambros mit einer groovigen Form von Akustik-Pop, den Bernhard Speer mit feinem Tapping aus der Gitarre klopft. Die Krux an der Wiesn-Causa: "Ham kummst" ist hier eine Art Trojanischer Ohrwurm, ein gallenbitterer Katersong, in dem König Alkohol für reichlich Verdruss sorgt. So singt Seiler aus der Perspektive eines Gewohnheitssäufers, der es trotz mehrfacher Drohungen seiner Frau nicht auf die Reihe bekommt, den Spezln eine Gute Nacht zu wünschen und ausnahmsweise mal nüchtern heimzukehren. Als Quittung gibt es die Scheidung.
Wenn nun also im September tausendfach die Krüge und die gut geölten Stimmen erhoben werden, so wird das nicht selten zu einem Lied geschehen, das den Exzess und seine Folgen verteufelt - eine Konstellation, so herrlich doof und strotzend vor Ironie, dass es fast schon wieder schön ist.