Das ist schön:Träume für die Traumstadt

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Wie ein Künstlersalon zur Vernetzung der Kreativen führt

Von Dirk Wagner

Von wegen, in Bayern bleibt kein Haus länger besetzt als 24 Stunden. Als die Stadt München eine ohne Baugenehmigung auf städtischem Grund gebaute Kirche nebst einem ebenfalls ungenehmigten Wohnhaus räumen wollte, um dort eine weitere Spielstätte für die Olympischen Spiele zu errichten, ignorierte der darin lebende russische Eremit Väterchen Timofej die ihm zugestellten Räumungsbescheide. Schließlich sei ihm im Traum die Muttergottes erschienen und hätte ihm befohlen, genau hier seine Ost-West-Friedenskirche zu bauen.

Amüsiert erzählte Christian Ude kürzlich in der Schauburg, wie Stadtrat und Polizei sich darum machtlos sahen. Zwar hätte die Marienerscheinung geflunkert sein können. Was aber, wenn sie tatsächlich den Bau der Kirche bestimmt hätte? Träume können also doch was bewirken, resümierte Ude als Bürgermeister der Traumstadt Schwabing, der er seit den Sechzigerjahren angehört. Vom Dichter und Radiomacher Peter Paul Althaus 1967 als Künstlerversammlung initiiert, traf diese sich zunächst in einer Schwabinger Wohnung, um gemeinsam eine Künstlerstadt Schwabing zu erträumen. Später wurde die Versammlung ins Theater verlegt, womit der einstige Künstleraustausch zur Präsentation der hier vereinten Künste avancierte. Von Musikern vorgetragen und von Dichtern. Von Schauspielern, Kabarettisten und bildenden Künstlern. Seit einigen Jahren nutzt die Traumstadt dazu die Schauburg. Weil die aber ein Jugendtheater ist, träumte der neuen Intendantin Andrea Gronemeyer, man könne auch jüngere Künstler in die würdevoll gealterte Stammbelegschaft der Traumstadt integrieren. Diese begrüßte die Frischzellenkur. Etwa mit der Theremin-Spielerin Verena Marisa, die geradezu traumhaft Bilder des Illustratoren Quint Buchholz intonierte. Oder mit dem Poetry-Slammer Alex Burkhard, der die Frage aufwarf, warum Krankenpfleger nicht annähernd so viel verdienen wie Profifußballer. Die mehr als dreistündige Revue wurde von der Regisseurin Katharina Mayrhofer als Radioshow in Szene gesetzt, in der dann die Galerie Chantal erzählte, wie ihre Vorstellung von Kunstpräsentation an der Lärmempfindlichkeit der Nachbarn scheiterte.

Und plötzlich war der Künstlersalon, der jahrelang nur noch Präsentation war, wieder der Ideenaustausch von einst, der die Möglichkeiten diskutierte, die diese Stadt bereithält. Wer nicht im Theater war, konnte die aufgeführte Radioshow auf dem Sender Lora als tatsächliche Radiosendung hören. So eine Vernetzung der Kreativen in dieser Traumstadt ist besonders schön.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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