Das ist schön:Nimm mich!

Lesezeit: 1 min

Die Kammerspiele plakatieren mit T-Shirts

Von Susanne Hermanski

Die Münchner Kammerspiele unter Matthias Lilienthal machen die Dinge ja gern mal anders, irgendwie rotzfrech, auf maximalen Grunge versessen und berlinerisch - nicht selten zum Leidwesen der Freunde des gehobenen Sprechtheaters. Zu diesem Saisonauftakt gibt es deshalb anstelle der üblichen aufgeräumt bedruckten Plakate in der Innenstadt T-Shirts, die mit Gaffa-Tape an die Litfaßsäulen, Schaukästen und sonstigen Werbeständer gepappt sind. 1000 Stück hat die gewiefte Marketing-Abteilung dafür produzieren lassen. Bedruckt sind die Hemden, nebst einem kleinen, vergleichsweise dezenten "Kammerspiele"-Schriftzug mit verheißungsvollen bis selbstironischen Versprechen in fetten Lettern: "Alien Kick", "Obscure Joy" und "Unknown Pleasure" steht darauf - letzteres als unübersehbare Referenz an das erste Studioalbum der britischen Post-Punk-Band Joy Division. Schließlich macht auch Mathias Lilienthal hauptberuflich in Kultur - also zumindest in Pop-Kultur in diesem Fall - und nicht in Kleider-Kammer.

Die Idee hinter diesem Reklameschachzug ist simpel: Die Passanten sollen die T-Shirts einfach von den Wänden klauen, sie möglichst oft anziehen und damit künftig als lebende Litfaßsäulen durch die Stadt, die coolen Clubs, die Schulen dieser Stadt ziehen. Aber ist diese Idee auch genial? Der Kammerspiel-Chef selbst räumt schon sachte Bedenken ein, wenn er sich München in seinem Kern so recht betrachtet. Da stelle sich nämlich a) die Frage: Brauchen die Münchner überhaupt noch ein weiteres T-Shirt? b) Sind sie dafür, so ein One-Size-Uni-Sex-Teil überzuziehen, das keineswegs aseptisch gelagert worden ist, nicht viel zu etepetete? Und c) Trauen sie sich das überhaupt? Einfach was abreißen, anziehen und abhauen?

Nun, wir finden, der Intendant sollte nicht unbedingt Recht behalten mit seinen Zweifeln an der kriminellen Energie der Münchner. Also Leute, springt mal über euren Schatten. Und sagt euch einfach: Ich will das Shirt haben, denn das ist schön.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: