Das ist schön:Lernen vom Lido

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Vom Wert des Durchhaltens und der Anmut des Alten

Von Susanne Hermanski

Ist jetzt alles wieder gut? Als Kinogänger weiß unsereins: Ein allumfassendes Happy End ist selten heutzutage, aber das, was regelmäßige Gäste des Filmfests von Venedig derzeit am Lido zu sehen bekommen, beeindruckt. Auch Diana Iljine, die Leiterin des Münchner Filmfestes, macht große Augen: "Ich muss meinen Kollegen Alberto Barbera fragen, wie er das hinbekommen hat!" Das älteste Filmfestival der Welt scheint wie auferstanden aus dem Loch, in dem es jahrelang zu versinken drohte. Nicht nur bildlich gesprochen; eine halbe Ewigkeit klaffte mitten auf dem Gelände "the Hole", eine Baugrube, mit allerlei Barrikaden und Holzverschlägen, die jene Stelle markierten, wo die Stadtväter einst mit hochtrabenden Plänen für einen neuen Festivalpalast angetreten waren. Statt ihre Visionen vom architektonischen Riesenschildkrötenpanzer oder einem zur Hälfte ins Wasser verlagerten Palazzo dell Cinema umzusetzen, ließen sie die Millionen Steuergelder dafür lieber in ihren eigenen Kanälen versickern. Dass neben diesem Schandfleck, auf dem nur zehn Meter entfernten Ende des Roten Teppichs auch die Hollywood-Eliten immer rarer wurden, schien folgerichtig.

In diesem Jahr aber ist der Glanz zurück - mit relativ bescheidenen und sehr zeitgemäßen Mitteln von Recycling und Renovierung des Gegebenen. Dort wo das Loch klaffte, vor dem Casino, das als Festivalzentrum dient, und östlich vom alten Festivalpalast, ist nun eine neue weitläufige Piazza entstanden. Sie strahlt in hellem Naturstein, kühlt sich selbst mit einer zentralen Springbrunnenanlage, Sonnendächern, Lounge-Möbeln und einem schmalen Hain frisch gepflanzter Pinien. Der bindet auch den großen roten Kubus im Osten an, der schon 2016 als Zusatzkino aufs Areal gesetzt worden ist. Es verkörpert selbstbewusst die Moderne. Dafür konnten die beiden Altbauten, Casino und Palazzo, die noch aus Mussolinis Zeiten stammen, ohne Tamtam um ihren faschistischen Duktus, schlicht renoviert werden. Der Lido, der sonst eigenartig vor sich hin bröckelt, hat an dieser Stelle zu seiner Eleganz zurückgefunden. Und selbst wenn das andere (taktische und pekuniäre) Gründe hat: Auch die Hollywoodstars kehren heuer in Scharen an den Lido zurück.

Was also können die Macher kleinerer, regionaler Festivals vom Starnberger See bis Hof und Kaufbeuren davon lernen? Es lohnt sich durchzuhalten, selbst in den Phasen schlimmster Tristesse. Politiker kommen und gehen zuweilen auch wieder. Was immer möglich ist, das bleibt: aus dem Vorhandenen das Beste zu machen. Egal, ob man an der Isar, am Inn oder an Venedigs verwunschenem Traumstrand, dem Lido, sitzt: Dann ist's wieder schön.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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