Das ist schön:Grenzen ziehen

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Das Künstlerduo GÆG sucht einen Sponsor zwecks Staatengründung

Von Michael Zirnstein

Zwei Herren in Business-Anzügen schreiten durch die Prärie des Mittleren Westens, als seien sie Immobilienmakler, Manager oder Politiker beim Ortstermin. Sie ziehen mit einem sechs Meter hohen Kugelschreiber eine Linie über Grund und Boden - das ist die Grenze ihres neu deklamierten Staates. Dieser "State of The Art" soll 18 600 Quadratkilometer groß sein, das ist in etwa die Fläche Neukaledoniens oder der Fidschi-Inseln. Oder, wer damit nichts anzufangen weiß, Niederösterreichs. Am Werk sind die Münchner Aktions- und Landschaftskünstler Wolfgang Aichner und Thomas Huber. Wer sie nicht kennt, möchte ob des Vorhabens, in einem dreiwöchigen Marsch einen Kunststaat abzustecken wie dereinst Goldschürfer ihre Claims, glauben, die beiden hätten zu lange in der Sonne Colorados geschmort. Aber sie haben schon andere selbstgestellte Herausforderungen bewältigt. Zur Biennale 2011 haben sie zum Beispiel mit Händen und Seilen ein fünf Meter langes rotes Boot über einen 3000 Meter hohen Alpenkamm gezerrt, um es mit großem Tamtam in einem der Kanäle von Venedig zu versenken.

So spaßig die Aktionen des Duos GÆG sind, sie sind nicht bloß ein Gag. Sie haben Symbolkraft und stets ein Anliegen. Denn nehmen nicht auch Konzerne und Staaten Territorien so in Besitz: ziehen Grenzen am Schreibtisch mit dem Kugelschreiber. Auch die pfeilgeraden Außenlinien der Staaten Wyoming, Utah und Colorado, die Huber und Aichner überschreiten und mit ihrem eigenen Riesenrechteck überschreiben, sind einst ohne Rücksicht auf die Natur oder die Ureinwohner Amerikas am Reißbrett gezogen worden. Und wenn Donald Trump in einem Wahlwerbespot gegen Mexikaner hetzt und dabei Bilder von Marokko zeigt, braucht es jemanden, der seinen wild wuchernden Größenwahn zurückstutzt.

Nur ist der Kunststaat selbst noch ein Hirngespinst - und seine Umsetzung ist in Gefahr. Denn Huber und Aichner haben einen wichtigen Mäzen in den USA verstimmt. Beziehungsweise tat dies ihr Mittelsmann dort, der ein bestelltes Kunstwerk aus einer früheren Aktion nicht montieren konnte und so die Auslieferung verbummelt hat. Jedenfalls sucht das Duo GÆG nach neuen Sponsoren für den State of The Art ( www.sota.gaeg.net). Umsonst ist nichts, schon gar nicht solch aufwendige Kunst. Was allein so ein phallischer Riesenstift samt Heliumfüllung und 25 Zentimeter dicker Stahlkugel kostet! Wenn sich jemand findet, der hilft, Trump Grenzen aufzuzeigen, und seien es imaginäre, dann wäre das schön.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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