Das ist schön:Eintritt frei

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Nichts freut einen mehr, als für kein Geld etwas erzählt zu bekommen

Von Eva-Elisabeth Fischer

Jeder freut sich, wenn er was geschenkt kriegt. "Eintritt frei" lautet das Zauberwort. Das muss nicht immer ein großer Gratis-Event sein wie im vergangenen Oktober, mit dem sich deutsche Pop-Größen bei Münchner Flüchtlingshelfern bedankten. Beim geschriebenen Wort werden kleinere Brötchen gebacken. Da ist die Nähe zum Autor wichtig. Und wenn einer wie Frank Schätzing vor zwei Jahren aus seinem Roman "Breaking News" einen Multimedia-Event zaubert, dann löhnen nicht genug Leute, und er geht baden.

Es muss nicht immer ein Thriller, ja es muss nicht einmal Literatur sein, aber wenn eine Sie oder ein Er vorliest, dann zieht das die Leute an. Es ist wahrscheinlich ein archaisches Bedürfnis, gespeist aus frühkindlichen Erlebnissen, sich zurückzulehnen, die Augen zu schließen und zuzuhören, was einer oder eine für Geschichten zu erzählen hat - und dabei möglicherweise sachte einzunicken. Man fällt zurück in die Zeit weitverbreiteten Analphabetentums und der professionellen Geschichtenerzähler, die gleichermaßen Märchen wie auch die neueste Zeitung unter die Leute brachten. Gekostet hat das nichts, außer ein wenig Aufmerksamkeit und viel Achtung für die Vorleser.

Heutzutage wird solche Zuhör-Lust mit dem Autor zum Anfassen PR-mäßig organisiert zur Gewinnsicherung der Verlage. Die Münchner Bücherschau ist die meistbesuchte Veranstaltung dieser Art. 2015 drängelten sich gut 160 000 Besucher im Gasteig und bekamen - bis auf die Bücher - wie immer fast alles geschenkt: das Schmökern an den Verlagsständen, das Wohlgefühl, die berühmte Autorin X live erlebt zu haben. Aber viel erhebender sind die kleinen, die fast privaten Zirkel, die einem vorgaukeln, mit lauter Gleichgesinnten zusammen um ein imaginiertes Feuerchen herum dem zu lauschen, was man liebt, ohne auch nur einen Pfennig ausgeben zu müssen - die Gedichte von Itzik Manger im Lyrik Kabinett zum Beispiel. Oder mit Filipp Piatov im Salon Irkutsk in die wundersam entschleunigende Transsibirische Eisenbahn zu steigen.

Literatur, das ist doch jedes Mal die schönste Reise im Kopf, die mit ein wenig Glück auch nichts kostet. Nach so einem Abend muss man nicht mehr bange sein: Die Welt der organisierten Buchstaben wird nicht untergehen. Und das ist schön.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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