Das ist nicht schön:Trübe Tasse

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Mariss Jansons ist irritiert von dirigierenden Frauen

Von Rita Argauer

Der Akt des Tee-Trinkens ist nicht nur eine entspannende Nachmittagsbeschäftigung. Er gehört auch in die Welt der Sprichwörter. Während das im Deutschen eher eine gewisse Gelassenheit suggeriert, wenn man abwartet und Tee trinkt, kann man im Englischen damit auf distinguiert umschreibende Weise sein Missfallen ausdrücken. Der Begriff "Cup of tea" wurde nun auf Twitter zum Hashtag für die verbale Entgleisung eines alten Künstlers. Einer, der eigentlich in seiner musikalischen Ausübung und auch in von ihm unterstützten Förderprogrammen zu den Differenzierteren seines Fachs gehört.

Am vergangenen Freitag bekam Mariss Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, die Gold Medal der Royal Philharmonic Society in London verliehen. Zuvor hatte Jansons dem Musikjournalisten Ivan Hewett für die britische Tageszeitung T he Daily Telegraph ein Interview gegeben. Darin sagt er, es sei nicht sein "cup of tea", wenn Frauen auf dem Podium stünden. Will heißen, dirigierende Frauen auf diesem machtvollen Posten, den die Männerwelt fast immer noch alleine besetzt, gefallen diesem Mann nicht. Am Freitag zog Jansons seine Äußerung zurück. Er erklärte sie für "undiplomatisch, überflüssig und kontraproduktiv" und fügte an, jede seiner Kolleginnen sowie junge Frauen, die eine solche Karriere anstrebe, unterstützen zu wollen.

Dennoch wirkt so ein dahingeworfener Satz unangenehm nach. Jansons, 1943 in Riga geboren, wuchs in einer anderen Welt auf. Dirigierende Frauen gab es damals nicht. Dass es für ihn also ungewohnt ist, Frauen auf dem Podium zu sehen, ist nicht überraschend. In dem Kontext äußerte er auch, dass manche Dirigenten-Karriere heute etwas früh starte und man für diesen Job vielleicht eine gewisse Reife brauche. Das ist ein nachvollziehbarer Gedanke. Die flapsige Formulierung, mit der er Dirigentinnen diskriminiert, zeigt jedoch, dass die gleichberechtigte Stellung oder gar Förderung von Frauen am Dirigierpult ihm nicht besonders wichtig sein können. Daran ändert auch die Rücknahme nichts. Es wirft ein ungutes Licht auf den Künstler, der sich sonst sehr für die Belange der Musiker engagiert. Sei es mit dem Einsatz für den Bau des neuen Konzerthauses in München oder damit, die klassische Musik Menschen aller sozialen Schichten zugänglich machen zu wollen. Zudem ist er ein Musiker, der zum Vorbild genommen wird. Dass er eine solche Äußerung erst im Nachhinein wegen reger öffentlicher Kritik reflektiert, ist ein falsches Signal an die Klassikwelt und deren Nachwuchs. Das ist nicht schön.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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