Das ist nicht schön:Plastik rauf, Plastik runter

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Was der temporäre Rasen im Olympia-Stadion mit sich bringt

Von Michael Zirnstein

Man muss den Rasen nicht gleich heilig nennen, aber gibt es in dieser überbesiedelten Stadt ein größeres Glück als ein Stück eigenes Grün? Gartenlose Bürger können sich den Stolz vorstellen, mit dem Bürgermeister Josef Schmid im vergangenen Herbst verkündete: "Das Olympiastadion bekommt seinen Rasen zurück!" Welcher Städter besäße nicht gerne ein paar Quadratmeter Natur? Wobei Natur mit einem Fußballrasen freilich so viel gemein hat wie ein richtiges Autorennen mit jener Tourenwagenmeisterschaft, für die das Stadion 2012 geteert wurde.

Die liegen gelassene Asphaltdecke verlieh dem Baudenkmal von 1972 seither den Charme eines Bauhofs. Allerdings war sie auch ideale Grundlage für einige Konzerte: Bühne, Besucher und Gastrostände konnten so ohne Mehraufwand hinein- und wieder hinausbefördert werden von den Großveranstaltern der Stadt. Diese, nämlich Global Concerts, Propeller Music und Promoters Group Munich, schauen derzeit recht grantig auf die Bilder der Internetkamera des Olympiastadions. Denn außer einer einsam kreisenden Planierraupe sehen sie nichts, zumindest kein Gras. Das soll da aber längst wachsen, spätestens wohl Ende Mai - denn genau dann müssen die Veranstalter vor den Open-Airs mit Coldplay, Depeche Mode, Guns'n'Roses, Andreas Gabalier und Robbie Williams die Fläche mit Plastikplatten abdecken. Das ist der sichere Tod für den frischen Rasen darunter. Vorwurf: Hätte man mit dem Anpflanzen nicht bis nach der Konzertsaison warten können? Gegenargument: Auf irgendein Event müsste man ja immer warten.

Die Veranstalter haben sich mit der grundlegenden Situation abgefunden. Die sture Begrünung für nur ein paar Wochen allerdings halten sie für einen Schildbürgerstreich - für den sie auch noch zur Kasse gebeten werden. Zusätzlich zu den Kosten für die Abdeckung (angeblich 100 000 Euro pro Tag) haben sie von der Olympiapark GmbH bereits eine Rechnung für die Rasenreparatur über 130 000 Euro erhalten, die sie sich teilen wollen. Aber auf lange Sicht müsse man entweder, so sagen die Veranstalter angesichts eh knapper Gewinnmargen, München vom Open-Air-Plan streichen oder die Mehrkosten auf die Tickets umlegen.

Um beides zu vermeiden: Das Berliner Olympiastadion hat den Finalrasen der Fußball-WM von 2006 verhökert: 75 Euro pro 30 mal 20-Zentimeter Stück, den Elfmeterpunkt (unbenutzt) für 4000 Euro. So könnte man auch in München vor der Konzertsaison das alte Grün zu Moos machen. Um Preise wie in Berlin zu erzielen, bräuchte es allerdings legendäre Veranstaltungen - würden alle zusammenhelfen, solche ins Stadion zu bringen, wäre das schön.

© SZ vom 22.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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