Damals und heute:Seine Welt sind Scheiben

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Mit elf Jahren legte er zum ersten Mal im "Ultraschall" auf. Inzwischen ist Martin Matiske Teil der Szene

Von Martin Pfnür

Die "bewegte Zeit", von der Martin Matiske im Interview erzählt, sie beginnt an einem Ort, der als eher wenig bewegungsförderlich gilt: Wir schreiben das Jahr 1997, es ist Sommer, der Bundeskanzler heißt Helmut Kohl, und der zehnjährige Martin Matiske fläzt vor dem Fernseher, als im Musikfernsehen die "Love Parade" übertragen wird. Die DJs thronen auf fahrenden Wägen, drum herum eine Riesenansammlung schräg gewandeter und entfesselt tanzender Feier-Freaks. Die reinste Ekstase also, die dem Jungen da entgegenflimmert.

Und ja, das mit dem Auflegen, das wäre schon was, denkt sich der angefixte Knirps, der sich bald darauf über seine ersten Plattenteller samt Mixer freut. Tag für Tag feilt er nach den Hausaufgaben an Übergängen, verbringt die Samstage im mittlerweile geschlossenen Münchner Plattenladen "Bam Bam" und lässt sich vom Besitzer und den dort stöbernden DJs beraten. Jede Woche stößt er auf einen neuen Helden, rasant entwickelt er einen eigenen Stil. Als dann im Fernsehen ein gewisser DJ Hell zu sehen ist, der das Platten-Auflegen mit besonders formvollendeter Eleganz verrichtet, ist es um Matiske geschehen. Ob man den denn vielleicht mal treffen könnte, fragt er den Besitzer des "Bam Bam". Und tatsächlich: Einige Woche später erreicht den Jungen dort eine "überdimensionale Postkarte", wie Matiske erzählt. Es ist eine Promo-Kopie der Hell-Single "Copacabana", darauf eine Einladung: "Komm mich doch mal in meinem Büro besuchen. Gruß, DJ Hell".

Martin Matiske veröffentlicht heute selbst Musik. Am Donnerstag legt er in der Roten Sonne auf. (Foto: Alexandra Schellnegger)

Die "bewegte Zeit", sie nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Als Protegé DJ Hells ist Matiske nun Wunderkind und Zankapfel gleichermaßen, besonders sein erstes DJ-Set, das er in Begleitung seines Vaters als Elfjähriger im "Ultraschall" gibt, erregt die Gemüter. Als er in Begleitung eines ARD-Kamerateams dort ankommt, wird es laut. Man solle doch den Kleinen in Ruhe lassen, der habe hier nichts verloren, brüllen einige Alkoholisierte vor dem Club, während sich drinnen ein arrivierter DJ als Neidhammel entpuppt und ebenfalls einen Streit vom Zaun bricht. "Es war nicht immer leicht", erzählt Matiske. Dabei sei es ihm doch immer nur um die Musik gegangen. "Ich wollte niemandem den Platz streitig machen", sagt er.

Beirren lässt sich Matiske dennoch nicht. Bald beginnt er an eigenen Tracks zu arbeiten, wie ein Besessener tüftelt er sich mit einer Drum-Machine und einem Synthesizer in die Materie hinein. 50 bis 60 Anläufe habe es gebraucht, bis sein Mentor DJ Hell den Daumen hob und 2002 sein Okay für die Veröffentlichung der feinen Electro-EP "Stars and Galaxy" gab.

15 Jahre ist das jetzt her. Und trotz all der Unkenrufe, dass hier womöglich einer allzu früh vom exzessiven Techno-Zirkus verkorkst würde, hat Martin Matiske neben seiner Tätigkeit als DJ und Produzent einen konstruktiven Lebensweg eingeschlagen, indem er sein Abi nachholte, eine Ausbildung zum Kaufmann für audiovisuelle Medien abschloss und sich mittels Privatstunden in die Melodie- und Harmonielehre der klassischen Musik einführen ließ.

Inspiriert von DJ Hell, zog es den Plattenfreak früh in die Clubs. (Foto: Martin Matiske)

Mit großer Begeisterung erzählt er von der Zwölftontechnik, von der Melodielehre Paul Hindemiths, von der emotionalen Wirkmacht der Oper und bekräftigt, wie ihn diese ganz andere musikalische Welt heute in seinem Schaffen beeinflusst. "Die Melodielehre hat mir Möglichkeiten aufgezeigt, dem techno-typischen Drang nach Wiederholung und Sequenz zu entfliehen", sagt er. Clubtauglich soll sein melodischer Electro, mit dem er sich auf seiner neuen EP "Your Time" zwischen kühler Kraftwerk-Robotik und den Synthie-Kompositionen eines Jean-Michel Jarre verortet, trotzdem sein. "Sonst bleibt ja niemand auf der Tanzfläche."

Martin Matiske , Donnerstag, 21. September, 22 Uhr, Rote Sonne, Maximilianspl. 5

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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