Dagobert Duck:Sein Leben, seine Phantastilliarden

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Jetzt endgültig ediert: Die lückenlose Dagobert-Duck-Biographie des Disney-Meisterzeichners Don Rosa.

Lars Weisbrod

Die Milliardenbeträge aus dem Banken- und Kreditsektor, das wurde angesichts der Finanzkrise allerorten diagnostiziert, sind für den Menschen unvorstellbare Größen. Wenn man sich aber selbst diese paar lumpigen Milliarden nicht mehr begreiflich machen kann, wie unvorstellbar müssen dann erst die fünf Phantastilliarden und neun Trillionen Taler (und sechzehn Kreuzer) sein, die der große Finanzmogul, Geschäftsmann, Goldschürfer, Abenteurer und Geizhals Dagobert Duck sein Eigen nennt?

Unvorstellbar in Zeiten der Finanzkrise: Trillionen Taler und sechzehn Kreuzer nennt Geizhals Dagobert Duck sein Eigen. (Foto: Foto: AP)

Er selbst jedenfalls hat keine Probleme, sich sein Vermögen vorzustellen. Er kann bekanntlich sogar darin baden! "Er weiß von jeder Münze genau, wo und wie er sie bekommen hat, und gemeinsam erzählen sie die Geschichte seines Lebens", heißt es am Anfang von "Sein Leben, seine Milliarden", dem Opus magnum des amerikanischen Zeichners Don Rosa, der es Dagobert Ducks Münzen gleichtun will und die Geschichte seines Lebens erzählt, die innig verbandelt ist mit der Geschichte seines Geldes.

Ehapa gibt die preisgekrönte Comic-Biographie, die in den neunziger Jahren als Fortsetzungsreihe entstanden ist, nun in einer neuen Gesamtausgabe heraus, neu koloriert und gelettert. Neben den zwölf Hauptkapiteln sind alle Zusatzkapitel enthalten und ein Kommentar von Rosa selbst, der bei der Überarbeitung mithalf - zur rechten Zeit erscheint also ein lückenloser Einblick in das Leben der reichsten Ente der Welt.

Don Rosa, der sich mittlerweile von der Arbeit zurückgezogen hat, ist wahrscheinlich der wichtigste Entenhausen-Zeichner seit Carl Barks. Vier der Bände aus Disneys Hall-of-Fame-Reihe sind ihm gewidmet, so viele wie keinem anderen. Selbst die jüngeren Leser Rosas erkennen seinen besonderen Stil, seine Bilder sind detailreicher und wuseliger, stets gibt es noch ein Schild im Hintergrund oder ein Tierchen mit einer Ausrufezeichen-Sprechblase. Für seine Geschichten gilt das gleiche, sie stecken voller Bildungssplitter und Querverweise, Pointen, Einfallsreichtum und Historie. Rosa hat eine große Vorliebe dafür, seine Plots um tatsächliche historische Tatsachen herum zu entwerfen.

Wichtiger als die geschichtlichen Fakten sind Rosa aber noch die "Barksschen Fakten", wie er sie nennt. Rosa ist ein Bewunderer des großen Disney-Zeichners Carl Barks, der Dagobert Duck einst erfand. Er kennt die klassischen Geschichten so gut wie Dagobert seine Münzen und hat all jene Stellen zusammengetragen, in denen Barks seine Figur eine Anekdote aus ihrer bewegten Vergangenheit zum Besten geben lässt. Und weil Rosa "Spaß daran hatte, zu versuchen, das zu erklären, was eigentlich keiner Erklärung bedarf", begann er schließlich damit, um all jene kleinen Erinnerungen und Hinweise eine große, biographische Erzählung zu spinnen, die an jenem Weihnachtstag des Jahres 1947 enden sollte, an dem Dagobert Duck in der Geschichte "Die Mutprobe" zum ersten Mal auftritt.

Dagoberts Geschichte beginnt 1880, am Vorabend seines dreizehnten Geburtstages. Sein Vater, ein mittelloser Handwerker im schottischen Glasgow, bereitet ein besonderes Geschenk vor: einen Schuhputzkasten. Er will seinen Sohn ermuntern, auf eigenen Beinen zu stehen, und ein wenig hofft er auch, dass Dagobert, der letzte aus dem großen Clan der Ducks, es eines Tages schafft, an die einst ruhmreicheren Zeiten der Familie anzuknüpfen.

Der kleine Dagobert ist nur allzu empfänglich für solche Ideen. Am nächsten Tag verdient er beim Schuheputzen seinen "ersten Zehner" und ist von da an nicht mehr zu bremsen. Er reist durch die Welt, es verschlägt ihn nach Amerika, Südafrika, nach Australien und schließlich, nach 16 Jahren auf der Suche nach dem großen Geld, landet er in Alaska. Dort, beim Goldrausch am Klondike, das ist die bekannteste Geschichte aus Dagoberts Jugend, wird er sein erstes Vermögen machen. Dagobert ist aber schon bei seiner Ankunft nicht mehr der gleiche: Er ist auf dem Weg, eine lebende Legende zu werden.

Die "Barksschen Fakten"

Rosa zeigt ihn als einen jungen Mann auf dem Höhepunkt seines Lebens, von unbezwingbarer Kraft, Klugheit und Erfahrung, ein Teufelskerl, der die so gnadenlose wie wunderschöne Natur Alaskas liebt und ihr trotzt - ein Held, dem selbst die wilden Tiere gehorchen. Auch sein Geiz ist bereits legendär. Dennoch schlägt ihn auch die Landschaft und das Leben in den rauen Bergen (und auch eine Frau, um sie drehen sich Rosas schönste Zusatzkapitel) so sehr in den Bann, dass er für einen Moment sein Ziel, den großen Reichtum, aus den Augen verliert. Aber am Ende siegt die Gier. Und dann hält Dagobert schließlich in den Händen, wofür er so lange gearbeitet hat: ein Nugget, so groß wie ein Straußenei, der Grundstein seines Vermögens.

Das Vermögen wächst und wächst, Dagobert verdient seine erste Million, seine erste Milliarde, aber, das scheint Rosa wichtiger zu sein als alles andere, so glücklich wie in Alaska wird er nicht mehr werden. Ganz im Gegenteil, er wird nicht nur zum reichsten Mann der Welt, sondern auch zu einem verbitterten, herzlosen Griesgram. Die einzigen Menschen, die ihm geblieben sind, kehren ihm schließlich den Rücken zu: seine beiden Schwestern Mathilda und Dortel, Donalds Mutter.

Jahrelang lebt er einsam, bis er an jenem Weihnachtsabend auf seinen Neffen Donald und Tick, Trick und Track trifft. Es gibt eine Barks-Geschichte, die für Don Rosas Dagobert-Bild besonders wichtig ist: "Der arme reiche Mann". Die letzte Seite dieser Geschichte, schreibt Rosa, sei sein "Kandidat für die beste Comicseite aller Zeiten". "Du kapierst es vielleicht nie, Onkel Dagobert", sagt Donald dort, "aber dein vieles Geld ist ein Alptraum für andere Menschen. Ich bedauere dich. Du bist ein armer reicher Mann."

Ein armer reicher Mann - das wäre vielleicht der beste Titel für die Biographie gewesen. Es ist schließlich die Unentschiedenheit Dagoberts, die ihn so interessant macht. Rosa gibt sich alle Mühe, das Gute, Lebendige und Ehrliche an ihm zum Vorschein zu bringen. In "Der arme reiche Mann" hält Dagobert ein paar seiner Münzen in der Hand, küsst sie und sagt zu seinen Neffen: "Ihr wärt auch in diese Dingerchen verliebt, wenn ihr sie so sauer verdient hättet wie ich." Dagobert, das ist Rosas Gedanke, den er der alten Welt mit seiner Neuordnung hinzufügt, verschweigt dabei etwas: Es war nicht nur sauer, sie zu verdienen, es war auch süß. Deswegen hat er umso mehr Grund, sie behalten zu wollen, die Dingerchen. Und deswegen kann er sie sich auch vorstellen, mögen es auch noch so viele Phantastilliarden sein.

DON ROSA: Onkel Dagobert. Sein Leben, seine Milliarden. Ehapa Comic Collection, Köln 2008. 495 S., 29,95 Euro.

© SZ vom 14.02.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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