Cinema Italiano:Ewiges Glück

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Italien steckt politisch und gesellschaftlich in der Krise, Filme wie "Il con tagio" erzählen davon. Der Beitrag "Glücklich wie Lazzaro" von Alice Rohrwacher sticht heraus. Er kann es mit den Meisterwerken des italienischen Kinos aufnehmen.

Von Josef Grübl

Ihr Leben war eine einzige Party, sie tänzelten nachts durch die Via Veneto, schlürften Drinks an der Piazza Navona und schmissen Dachterrassenfeste neben dem Kolosseum. Ist es wirklich erst fünf Jahre her, dass Paolo Sorrentino in La Grande Bellezza die ewige Schönheit Roms feierte? Im Sommer 2013 stellte der Italiener sein später mit einem Oscar prämiertes Meisterwerk beim Filmfest vor, Stadt und Land haben sich seitdem verändert. Es gibt eine neue Regierung, Korruptionsskandale häufen sich, die Staatsschulden haben Rekordstände erreicht. Die Party ist vorbei, zumindest im italienischen Kino, das sich beim Filmfest weniger schwelgerisch präsentiert wie noch vor ein paar Jahren.

Im Drogendrama Il contagio von Matteo Botrugno und Daniele Coluccini etwa zeigt sich Rom von seiner hässlichen Seite: Es geht in die Randbezirke der Stadt, die Menschen leben in tristen Wohnblöcken, koksen und lassen sich aushalten. Sie sind kriminell, machen illegale Geschäfte mit Flüchtlingen, am Ende wird eine der Hauptfiguren gesteinigt. Kläglicher geht es kaum noch. Auch Abenteuer Rom ist frei von touristischen Sehenswürdigkeiten, das Jugenddrama von Sandra Vannucchi spielt in den alten Industrievierteln der ewigen Stadt, dorthin wurden Sinti und Roma abgedrängt. Dort strandet auch die elfjährige Silvia aus der toskanischen Provinz, sie ist von Zuhause abgehauen und schließt Freundschaft mit einem Roma-Mädchen. Eigentlich will Silvia das Bocca della Verità besuchen, die berühmte Steinmaske, in die Gregory Peck im Hollywoodklassiker Ein Herz und eine Krone seine Hand steckt, doch ihre neue Freundin hat dafür keine Zeit, sie muss Geld verdienen. Ein berührender Film über Mädchensolidarität und das Erwachsenwerden unter erschwerten Bedingungen.

Etwas südlicher zieht es den Regisseur Ferzan Ozpetek in Napoli Velata: Er erzählt von einer Pathologin, die eine lebhafte Nacht mit einem gut aussehenden Fremden verbringt und ihn am nächsten Tag auf ihrem Seziertisch wiedersieht. Da ist er nicht mehr ganz so lebendig. Doch das ist erst der Anfang eines großen Mysterientheaters, bildgewaltig, sinnlich und von seiner eigenen Schönheit leider etwas zu sehr berauscht. Aber auch das ist Italien. Ebenfalls nach Neapel geht es im Gangstermusical Ammore e Malavita, in dem viel geballert und noch mehr gesungen wird, unter anderem eine neapolitanische Version des Discohits "What a Feeling".

Das unbestrittene Highlight der italienischen Reihe beim Filmfest ist aber die jüngste Regiearbeit von Alice Rohrwacher, die schon vor vier Jahren mit Land der Wunder in München zu Gast war und für diese poetische Geschichte über eine Aussteigerfamilie auf dem Land mit dem CineVision Award ausgezeichnet wurde. Jetzt kommt sie zurück mit Glücklich wie Lazzaro - und wieder geht es in eine gottverlassene Gegend, wieder weiß man nicht so genau, wann das Ganze spielen soll. Eine Gräfin betreibt eine Tabakplantage und hält ihre Arbeiter wie Sklaven, sie haben keine Rechte, werden nicht bezahlt, leben unter Wölfen und Schafen. Unter ihnen ist auch Lazzaro (Adriano Tardioli), ein gutmütiger Jüngling, der natürlich nicht unabsichtlich nach einer biblischen Figur benannt ist. Es ist eine märchenhafte Geschichte, die unerwartete Haken schlägt und den Zuschauer in ihren Bann zieht, die Regisseurin bezieht sich auf die neorealistische Filmtradition ihres Landes, sie zeigt das Leid, die Armut und die Unterdrückung, gleichzeitig drückt sie ihrer Geschichte einen ganz eigenen Stempel auf. Damit kann sie es mit den Meisterwerken des italienischen Kinos aufnehmen.

Die Podiumsdiskussion Cinema Italiano findet am Mittwoch, 4. Juli, um 16 Uhr im Carl-Amery-Saal im Gasteig statt. Erwartet werden die Regisseure Gianni Zanasi, Ferzan Ozpetek, Matteo Botrugno, Daniele Coluccini und Stefano Savona

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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