Christo:Tore zum Ruhm

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An diesem Samstag ist es soweit, dann werden die safranfarbigen Stoffbahnen an den 7500 Torrahmen der jüngsten Monumentalinstallation des Künstlerpaares Christo und Jeanne-Claude im New Yorker Central Park entrollt. Schon der Aufbau ist ein sehenswertes Spektakel.

Von Andrian Kreye

Seit vorigem Montag schwärmen jeden Morgen rund 600 Freiwillige in grünen Westen aus, um im Park die rund fünf Meter hohen safranfarben leuchtenden Kunststoffrahmen in die Stahlsockel einzupassen. Künstler, Studenten und Kunstfans, die sich extra Urlaub genommen haben, sind im Team.

Christos Installation sorgt in New York schon im Vorfeld für Begeisterung. (Foto: Foto: Reuters)

Mit konzentrierter Ruhe setzen sie die Kunststoffstreben in die Sockel, dabei drängt die Zeit, und Verspätungen können sie sich eigentlich nicht leisten. In der ganzen Stadt hängen Plakate, die den 12.Februar als Beginn der Aktion ankündigen. In der U-Bahn sind Tafeln angebracht, mit welchen Linien man am besten zum Park kommt, und in der ganzen Welt haben Magazine bei ihren Lesern mit seitenlangen Berichten über "The Gates" die Reiselust geweckt.

Aber ganz so einfach ist die Arbeit nicht. Kaum zwei Tore haben die gleichen Maße. Jedes muss den wechselnden Wegbreiten des Parks angepasst werden. Eine leichte Unruhe hat sich rund um das Bootshaus am Central Park Lake breit gemacht, dessen Parkplatz mit ein paar Baubaracken zum Hauptquartier der Installationsarbeiten wurde.

40 Jahre Odyssee

Es passiert nicht oft, dass sich die Stadt New York eine solche Aufregung erlaubt, doch im Vorfeld zu "The Gates" macht sich jetzt selbst bei den blasiertesten Anrainern so etwas wie neugierige Vorfreude breit. Ein paar abfällige Worte über die egomanischen Künstler hat jeder bereit, aber dann verabredet man sich doch für den Samstagvormittag.

Dann beginnt nicht nur eine der spektakulärsten Kunstaktionen in der Geschichte der Stadt, dann geht auch eine über 40 Jahre lange Odyssee durch das Dickicht der örtlichen Ämter und Kunstinstitutionen zu Ende. So lange hat es gedauert, bis der 69-jährige Bulgare und seine auf den Tag gleichaltrige französische Frau in ihrer Wahlheimat New York zum ersten Mal eines ihrer monumentalen Kunstprojekte verwirklichen durften.

1964 waren sie von Paris kommend am Nordrand von Chinatown in zwei Lofts des früheren Manufakturgebäudes Nummer 48 Howard Street gezogen. Ursprünglich wollten sie zwei Gebäude in der südlichen Skyline der Stadt verhüllen, doch die Besitzer erklärten sie für verrückt. Auch Pläne, das Museum of Modern Art, das Whitney Museum oder einen Wolkenkratzer am Times Square einzupacken, scheiterten. 1979 kam Christo schließlich auf die Idee mit den Toren im Park.

1979 war allerdings auch der Höhepunkt der urbanen Krise in New York. Der Central Park war in weiten Teilen ein Schandfleck, seine Wiesen zu brauner Steppe verdörrt, die Bäume ungehegt, Lampen, Bänke und Denkmäler zerbrochen. Die ersten Pläne, rund mehrere tausend Löcher in den Grund zu graben, um darin Tore zu befestigen, stießen bei den Parkverwaltern auf rigorose Ablehnung.

Bloomberg ist Christo-Fan

Es sollte mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bis mit Michael Bloomberg ein Mann ins Rathaus zog, der als Bauherr unzähliger Bürokomplexe viel Erfahrung mit Kunst am Bau gesammelt hatte und schon lange ein großer Fan von Christo und Jeanne-Claude war. Es half, dass die beiden Künstler die Kosten für ihre Kunstwerke regelmäßig selbst aufbringen. Die belaufen sich diesmal immerhin auf rund 21 Millionen Dollar.

Bei ihren seltenen öffentlichen Auftritten merkt man den beiden an, dass sie jetzt hier in New York den Höhepunkt ihres Lebenswerkes verwirklichen. Auf eine eigenartige Weise wirken sie einander ähnlich, auch wenn der ruhige, grauhaarige Christo und die auftriebige Jeanne-Claude mit ihrer feuerrot gefärbten Mähne auf den ersten Blick so gar nichts gemeinsam zu haben scheinen. Doch über die Jahrzehnte sind sie zu einer Einheit zusammengewachsen. Sie leben immer noch gemeinsam in dem Loft unten an der Howard Street.

Doch in New York kann Stillstand auch Fortschritt bedeuten. Denn genauso wie sich das damalige Scherbenviertel Soho zu einer der teuersten Wohngegenden der Welt gemausert hat, gelten Jeanne-Claude und Christo, einst als verrückte Europäer belächelt, als die einzigen Künstler, die einem Ort mit ihrer Arbeit umgehend den Status einer Sehenswürdigkeit verleihen können.

© SZ vom 12,02.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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