CD: System of a Down "Mezmerize":Genug ist nicht genug

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Man kann es Hypnose nennen. Musikalische Hypnose. Oder auch einen Gemischtwarensalat in Tönen. Und doch: Das Crossover aus harten Metal-Klängen, angereichert mit ein wenig R'n'B und Folklore, funktioniert hier und könnte sogar zum Erfolgsrezept der darbenden Branche werden.

Von Caroline Daamen

Hypnotisieren wollen sie. Und dabei fürchten sie offenbar, dass die Dosis im Doppelpack das Publikum überfordern könnte. So zumindest die offizielle Lesart. Also werden die neuesten Errungenschaften aus dem Hause System of A Down häppchenweise auf zwei CDs verteilt.

"Mezmerize" heißt der erste Teil mit elf Stücken, "Hypnotize" soll dann im Herbst folgen - wenn die Fans sich ausgiebig mit dem neuen Material auseinander gesetzt haben. Warum auch nicht? Was einmal funktioniert hat, kann auch ein zweites Mal gelingen.

Auf den überaus erfolgreichen Longplayer "Toxicity" (laut Plattenfirma weltweit nahezu sechs Millionen Mal verkauft) im Jahr 2001, legte das Quartett aus Kalifornien ein Jahr später mit "Steal this Album" eine weitere Platte nach. Sie war vornehmlich aus Tracks zusammengestellt, die während des Einspielens von "Toxicity" entstanden sind. Hat funktioniert, qualitativ zwar nicht schlecht, aber irgendwie nicht ganz so überzeugend wie der Vorgänger.

Das soll nun anders werden mit einem ganz offiziellen "Two Set Album". Nachdem sich die Veröffentlichung des neuen Studiomaterials immer wieder verzögert hatte. Dabei beteuert Gitarrist Daron Malakian treuherzig: "Als wir mit der Produktion begannen, wollten wir jeden Song so gut machen wie nur menschenmöglich. Zwei CDs zu machen ist uns nie in den Sinn gekommen. Aber als wir alle Songs fertig hatten und versuchten, die besten vierzehn auszuwählen, stellten wir fest, dass wir genug großartige Songs hatten, um zwei Alben zu füllen. Und alle Songs stehen in Verbindung zueinander. Es war also keine Idee, die wir verfolgten - die Idee verfolgte sozusagen uns." Soweit Malakians Erzählungen.

"Bring your own bombs"

"Mezmerize" ist eindeutig wieder ein kraftvolles Stück System of a Down mit radikalen Stilrichtungs-Schwenks innerhalb eines Songs sowie Stimm- und Klangcollagen, die manchmal schlicht das Prädikat "irrwitzig" verdienen. Das geht schon mit der ersten Auskopplung "B.Y.O.B." los: Sänger Serj Tankian und Kollege Malakian preschen zu knüppelharten Gitarrenbrechern ihren Stakkato-Gesang, um dann in einen gleichsam samtweichen R'n'B-Refrain überzugleiten: "Why don't presidents fight the war?/ Why do they always send the poor?/.../Everybody's going to the party have a real good time/ Dancing in the desert blowing up sunshine".

Dementsprechend steht B.Y.O.B. nicht etwa für die in der Gastronomie bekannte Formel "Bring Your Own Bottle", sondern "Bring Your Own Bombs" - der Irak-Krieg lässt grüßen. Ähnliche harte, aggressive und dabei gleichzeitig bizarr sanftmütige Mischungen gibt es bei Nummern wie "Revenga", "Violent Pornography" oder "Question" im Überfluss. Erst einlullen und dann kräftig durchschütteln.

Wirklich überraschend ist der Stilmix der vier US-Amerikaner armenischer Herkunft zwar mittlerweile nicht mehr - erzielt aber immer noch Wirkung. Vor allem, wenn auch noch folkloristische Elemente ins Spiel kommen, wie bei "Radio/Video".

Bei all dem imposanten Tempo der vier Freunde aus Los Angeles darf dann aber ein sehr schöner, melodiöser Schlussakkord in Form des balladesken "Lost in Hollywood" nicht fehlen - in schöner Reihe mit Vorgängern wie "Roulette" oder "Aerials". Da wird es richtig harmonisch - zumindest musikalisch und im seichten Gesang von Malakian/Tankian. Die Message: "You should've never trusted Hollywood." Man hätte gerne mehr, doch der Hypnose zweiter Teil folgt erst in einem knappen halben Jahr.

System of a Down: "Mezmerize" (Columbia/ Sony BMG) 1. Soldier Side - Intro 2. B.Y.O.B. 3. Revenga 4. Cigaro 5. Radio/Video 6. This cocaine makes me feel like I'm on this song 7. Violent Pornography 8. Question! 9. Sad Statue 10. Old School Hollywood 11. Lost in Hollywood

Live-Daten 7.6.2005 München Zenith 22.6.2005 Berlin Arena Treptow

Festivals: Southside/Hurricane (10.-12.6.2005), Area 4 Festival Oberhausen (25.6.2005)

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