CD-Kritik: Europe "Start from the dark":Comeback aus der musikalischen Dunkelheit

Lesezeit: 2 min

Im Jahre 19 nach dem finalen Countdown meldet sich die Nordländerband zurück in der Welt des melodiösen, harten Rock und der samtweichen Lyrics.

Von Petra Blum

Große Erwartungen weckten die 80er Jahre-Rocker, als sie 2000 ihr Comeback verkündeten. Was immer man von dem neuen Album erwarten mochte, die Platte ist anders - bei näherem Hinhören erst entpuppt sie sich streckenweise doch als der waschechte Europe Sound, der nicht nur der nordischen Rockkultur lange fehlte.

Zurück aus der Dunkelheit: Europe im Jahr 2004. (Foto: Foto: Sanctuary)

Das geht zu einem nicht geringen Teil auf das Konto des Gitarristen John Norum, der es versteht, dem Album seine ganz persönliche Note zu geben. In vielen, temperamentvoll verspielten Riffs beweist er, dass er während der Jahre der floppenden Soloprojekte nichts an Genialität eingebüßt hat.

Hörenswerte Kompositionen

Die richtig große Rockhymne allerdings, die an vergangene Erfolge erinnert, sucht man vergeblich auf dem neuen Album der Schweden. "Start from the dark" wartet mit eingängigen Melodien und hörenswerten Kompositionen auf, die Single "Got to have faith" aber erinnert nicht nur dem Namen nach an das Comeback einer gewissen Hardrock-Formation namens Bon Jovi.

Anders als auf vergangenen Alben setzen die Schweden auf schnelle Drums und rhythmisch kraftvolle Bässe, mit denen sich Europe mitten in den Mainstream des neuen Jahrtausends katapultieren. Wenngleich das Album seine Ecken und Kanten hat, so bemühen sich die altehrwürdigen Herren doch spürbar, von dem aktuell nachgefragten Stil à la "Linkin Park" bis "3 Doors Down" nicht zu sehr abzuweichen.

Zwar fehlen dem Comeback die richtig großen Hits vom Format eines "Carrie" oder "Rock the night". Joeys Stimmorgan wird die eingefleischten Europe Fans dennoch nicht enttäuschen. Schon gar nicht, wenn der angejährte Meister der Finalitäten bei den beiden Balladen "Roll with you" und "Settle for love" sein Schmuse-Potenzial rauskramt.

Auch wenn die Stimmung des Albums eher im unterirdischen Bereich angesiedelt ist, überrascht es doch mit einem Hauch von Unverbrauchtheit. Die Europe-Rocker sehen nicht mehr aus wie frisch aus dem Haarstudio und haben sich merklich von dem selbstkreierten, toupierten Schweden-Pop-Trallala-Rock der Achtziger verabschiedet.

Musikalisch angeschrägte Tristesse

Die Band, die sich auf "Start from the dark" präsentiert, hat sich in Originalbesetzung wiedervereinigt und gleichzeitig neu erfunden. Mit musikalisch angeschrägter Tristesse wollen die Altherren des Melodic Rock an vorhandene Trends anknüpfen - und können es nicht vermeiden, dabei stellenweise zu verkrampfen.

Insgesamt bietet das Album einige sehr starke Momente - beispielsweise der Ohrwurm "Hero" oder das tiefergelegte, aus den Boxen krachende "Wake up call". Die Platte enttäuscht allerdings auch mit songschreiberischen Pausen. Aber wer braucht schon poetisch ausgefeilte Songtexte, wenn die ehemaligen Helden des 80er-Rock nach elf Jahren der Abstinenz wieder die Gläser in der Vitrine klirren lassen.

Europe: "Start from the Dark" (Sanctuary/Noise)

1. Got to have faith 2. Start from the dark 3. Flames 4. Hero 5. Wake up call 6. Reason 7. Song no. 12 8. Roll with you 9. Sucker 10. Spirit of the underdog 11. America 12. Settle for love

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