CD:Ganz großes Tennis...

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... ist die Platte "Grand Slam" von Richard Dorfmeister und Madrid de los Austrias sicher nicht. Hören wird man sie trotzdem gerne, weil manche Dinge sich so schnell nicht ändern.

Philipp Mattheis

Ich gebe es zu: Ich bin ein Hängengebliebener. Irgendwo Ende der 90er hat meine musikalische Geschmacksentwicklung begonnen zu stagnieren. Aber mal ehrlich - damals war alles auch irgendwie besser.

Die Wirtschaft brummte im New-Economy-Dot-Com-Wahnsinn. Junge Menschen wurden reich, weil sie Aktientipps aus einer Zeitschrift blind vertrauten. Man prophezeite, dass bald alles "irgendwie virtuell" funktionieren würde. Und jeder wollte "irgendwie was mit Medien" machen.

Nach so viel vermeintlicher Aufregung in der Welt da draußen, brauchte man dringend Entspannung. Und dann kam da diese Platte von zwei morbid angehauchten Wienern: "The K&D Sessions".

Ein Meisterwerk an melancholischen Remixes, ein Kaleidoskop der gepflegten Depression und doch viel zu elektronisch, technisch perfekt, um Theatralik zu entwickeln. Einfach perfekt, um auf der Couch zu lümmeln und sinnlos über die schnelle Welt da draußen zu grübeln.

Kann es denn heute nicht so ein wie damals?

Nach dieser Platte brach die Flut los an Chillout-Compilations: Cafe del Mars, Buddha Bars und Lounges. Bald schon fand man keine einzige Compilation mehr, bei der nicht mindesten fünf Songs bereits auf einer anderen Compilations verwurstet worden waren.

Kurzum, es wurde langweilig das Chillen. Die Medienbranche mag zwar immer noch cool sein, aber das Geldverdienen darin ist mittlerweile um einiges schwieriger geworden.

Und trotzdem erwischt man sich immer wieder dabei, diese eine Platte aus dem Jahr 1998 anzuhören und sich zu fragen: Kann es denn heute nicht so ein wie damals?

Kann es nicht. Das Leben geht natürlich weiter und wer versucht, zu konservieren, der ist erst richtig alt. Deswegen sollte man auch gleich sagen, dass "Grand Slam" nicht viel mit alten Kruder&Dorfmeister-Sounds zu tun hat.

Das mag an den von Herrn Madrid de los Austrias liegen. Die nämlich sind eher bekannt für südliche Rhythmen als für die gepflegte Depression. Und so ist das zweite Gemeinschaftsalbum von Richard Dorfmeister und Madrid de los Autrias, um einiges housiger und tanzbarer als das, was man sonst mit den Namen Dorfmeister assoziiert.

Dorfmeisterischen Wiedererkennungswert hat "Grand Slam" dennoch. Das liegt an der distanzierten, manchmal fast schon arroganten Grundstimmung der Stücke. Nie wird clubmäßig abgefeiert und zum Tanzen aufgefordert.

Madrid de los Austria haben ihren Namen übrigens von einem alten Stadtviertel Madrids entlehnt. Irgendwo im Internet konnte man sogar lesen, dass die beiden mit diesem Album die alte habsburgerische Bande zwischen Spanien und Österreich zelebrieren wollen. Wer das für totalen Quatsch hält, hat wahrscheinlich Recht und vergisst es auch ganz schnell wieder.

Alles ein bisschen affig

Grand Slam spricht eher den am Rande stehenden an, der alles schon kennt und dem das ganze Treiben hier ein bisschen affig vorkommt. Sich selbst findet der ideale Hörer von "Grand Slam" übrigens auch ein bisschen affig.

Ein gutes Album, sagt ein Hängengebliebener: Ausgereift, selbstironisch und atmosphärische ausgeklügelt. Aber ein bisschen langweilig ist es auch.

Nichtssagende Fahrstuhlmusik sagen die, die mit so einer Musik noch nie etwas anfangen konnten. Das war auch schon in den 90ern so. Vielleicht muss sich doch bald mal etwas ändern.

Aber bis es so weit ist, kann man noch ein bisschen auf der Couch entspannen und nachdenken.

Richard Dorfmeister vs. Madrid de los Austrias - Grand Slam (2006 G-Stone Recordings & Sunshine Enterprises)

1. In The Waiting Line (Zero7) 2. Boogie No More (Dorfmeister vs. MDLA) 3. Valldemossa (Dorfmeister vs. MDLA) 4. Spanish Grease (Willi Bobo) 5. Relaxin'At Club F****n (Koop) 6. Back 2 Back (Pressure Drop) 7. Make Dis Real (Dorfmeister vs. MDLA) 8. Schnitz (Dorfmeister vs. MDLA) 9. My Friend (Groove Armada) 10. On The Moon Maybe (Dorfmeister vs. MDLA)

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