Castingshow sorgt für Frieden im Irak:Wenn sie singt, herrscht Waffenstillstand

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Umwogt von mänadisch zuckenden Gymnastik-Punks in silbernen Ganzkörperoveralls eint die Sängerin Shada Hassoon in der Talentshow "Star Academy" das irakische Volk. Mit Video.

Franziska Seng

"Star Academy" - das ist die libanesische Version von "Deutschland sucht den Superstar": Eine kleine Schar auserwählter Kandidaten trainiert in einem Fernsehstudio nördlich von Beirut, um die Gunst von Jury und Zuschauern zu erlangen. Es gibt harte Trainingspläne, kritische Jurymitglieder, Tränen - vor Rührung oder vor Verzweiflung - und alle Kandidaten sind ganz dick miteinander befreundet.

Einen entscheidenden Unterschied gibt es jedoch: Die Teilnehmer stammen nicht nur aus dem Libanon, sondern kommen aus unterschiedlichen Staaten der arabischen Welt. 19 Teilnehmer aus neun Ländern, von Kuwait bis Marokko. Am 30. März wird der Gewinner gekürt, im Rennen sind noch Mohamed Kammah aus Ägypten, Carlo Nakhleh aus dem Libanon, Marowa Bensghaier aus Tunesien und Shada Hassoon aus dem Irak.

Die 26-jährige Shada Hassoon ist die unangefochtene Favoritin. Die Fans verehren sie abgöttisch, nicht nur weil sie "nett, warm und natürlich" sei, wie es auf ihrer Fan-Site heißt, sondern weil ihr gelingt, was weder mit Politik noch Terror zu erreichen ist: Sie eint mit ihrer Musik das irakische Volk.

Wenn sie singt, herrscht Waffenstillstand: "Wir haben für Shada gestimmt, ohne danach zu fragen, ob sie Schiitin oder Sunnitin ist", schreibt ein Fan auf der "Al-Arabiya"-Website, "wir haben für sie gestimmt, weil sie Irakerin ist."

Salma aus dem Sudan ist der Überzeugung, Shadas Musik würde den Irakern mehr helfen als das Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Saudi-Arabien, das am Mittwoch begonnen hat. Das Treffen sei nichts anderes als eine "Gelegenheit für Show und hübsche Fotos", schreibt sie ebenfalls auf "Al-Arabiya".

Pop als gemeinsamer Nenner

Sie ist ein Lichtblick in dem von Krieg gebeutelten Land, wo aufgrund der Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten und der amerikanischen Besatzung an kein normales Leben zu denken ist. Der gegenwärtige Mangel an irakischen Persönlichkeiten, die von der Öffentlichkeit als durchweg positiv bewertet werden, mag zu ihrer Popularität im Heimatland noch beitragen.

Shadas größter Traum sei es schon von Kindesbeinen an gewesen, "mit ihrer Kunst den Irak zu vertreten". Der an den westlichen Geschmack gewöhnte Konsument mag vielleicht irritiert sein von ihren Darbietungen: Umwogt von mänadisch zuckenden Gymnastik-Punks in silbernen Ganzkörperoveralls steht Shada Hassoon wie ein Fels in der Brandung, einbetoniert in ihr Bühnenkostüm.

Mithilfe ihrer Stimme und Ausstrahlung vermag sie jedoch der arabischen Sprache die Geschmeidigkeit und Anmut zurückzugeben, die sie in den Ohren der westlichen Welt aufgrund der aggressiven Hasspredigten der Fanatiker eingebüßt hat. Auch in ihrer Heimat will man der kulturellen Botschafterin dafür danken: Ein irakischer TV-Sender bittet seine Zuschauer, ihre Stimmen der "Tochter des Euphrats" zu schenken.

Es gibt jedoch auch kritische Stimmen: "Die Iraker könnten außer "Star Academy" auch etwas anderes finden, das sie vereint", meint ein Blogger auf "Al-Arabiya". Bis dieser andere gemeinsame Nenner allerdings gefunden ist, muss man wohl weiterhin "Star Academy" schauen.

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