Bühnenspaß:A Hetz

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Georg Ringsgwandls "Der varreckte Hof"

Von Egbert Tholl, München

Als im August 2012 "Der varreckte Hof" bei den Tiroler Volksschauspielen in Telfs uraufgeführt wurde, konnte niemand ahnen, dass dereinst ähnlich mit Wahnsinn Begabte hier in München daherkämen, um diese "Stubenoper" um einen heruntergekommenen Landwirtschaftsbetrieb (varreckter Hof) auch in der großen Stadt salonfähig zu machen. Georg Ringsgwandl hat das Stück erdacht und es in seinem Heimatidiom geschrieben. Er kommt aus Bad Reichenhall, also aus dem Grenzgebiet. Mithin kann man das Stück hüben und drüben spielen, in Bayern wie in Tirol. Bayern lokalisiert sich nun im Lustspielhaus. Der Versuch, das Bairisch dieses Abends wiederzugeben, muss allerdings scheitern. Ein Satz wie "Meine Herrn, i bin so frei, i brunz in de Milibritschn nei" braucht einschlägige Kenntnisse.

Bei der Uraufführung in Telfs spielte ein Trio auf. In Schwabing spielt nur einer, der allerdings alles alleine kann: Titus Waldenfels. Er spielt auf einer Resonator-Gitarre Blues. Er begleitet Lieder, Gstanzl, Couplets, Miniszenen mit Geisterchor. Er spielt Banjo in hochdramatischer Film- beziehungsweise hier Bühnenmusik-Manier. Waldenfels hat sich Ringsgwandls Musik zu eigen gemacht - und sie sich nun mit nuancierter, instinktsicherer Könnerschaft einverleibt. Dreimal greift die Oma ein und spielt Banjo oder eine frühmongolische Harmoniumhirtenorgel (fetter Blues). Oma? Also: Die Oma hockt auf dem Familienhof und tut dement. Die Tochter ist in ihrem Halbtagsjob als Handarbeitslehrerin restlos überfordert. Ihr Mann ist als Leiter der offenbar alleruntersten aller unteren Umweltbehörden maßlos gestresst und will vor allem keine Kinder, weil die in der Sahara kein Wasser ham. Jawoll, ham. Der Sohn verliert seine Arbeit und tröstet sich mit einer Svetlana aus Moldawien.

Super Geschichte und noch besser in der Umsetzung durch Steffi Baier. Vor allem aber agieren hier hinreißende Darsteller. Die Oma ohne Enkel ist Andi Bittl, der hier die knarzende, knorrige, derbe Rolle seines Lebens gefunden hat. Die lebenskluge Dame aus dem Osten ist Silvia Maria Jung, herrlich in ihrer menschlichen Überlegenheit. Die missratene Brut geht mit Spielfreude ans Werk: Marcus Baumeister als lüsterner Schwiegersohn, ein ewiger Spießer; Sebastian Edtbauer als ständig überforderter Sohn und Kathrin Maria Stahl als leicht minderbemittelte Handarbeitslehrerin.

Stahl ist es auch, die zeigt, weshalb Ringsgwandl dieses Stück geschrieben hat: Es gibt immer einen Ausweg, auch wenn das Leben als Sackgasse erscheint. Zwar ist Ringsgwandl im Kern sentimental, wenn er das Ideal dörflichen Lebens beschwört. Aber seine Figuren überführen dieses Ideal zum tätigen Aufbruch. A Hetz, Chapeau!

Der varreckte Hof - Eine Stubenoper , noch bis 27. August, Lustspielhaus, Occamstraße 8

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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