Britney Spears: Neues Album "Blackout":"It's Britney, bitch!"

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Ja, genau. Da ist auch schon das Problem: Britney Spears macht in ihrer Musik weiter auf zwangssexy. Dabei ist ihr neues Album "Blackout" durchaus erstaunlich.

Dirk Peitz

Das Hotel Lux 11 in Berlin-Mitte bucht man, wenn man es dezent cool und doch nicht zu teuer haben will. Ab 115 Euro pro Nacht, moderne, irgendwie universell cremefarbene Zimmer, Einbauküche, kein Zimmerservice. Dezent cool und doch nicht zu teuer wollte es die Plattenfirma SonyBMG haben, als sie für Donnerstagabend vergangener Woche kurzfristig ein paar Journalisten ins Lux 11 bestellte, um ihnen das neue Album von Britney Spears vorzuspielen.

Mittlerweile berüchtigt: Britney Spears' Auftritt bei den MTV-Video-Music-Awards im September 2007. (Foto: Foto: afp)

Jede Vorabbemusterung der Presse mit Musik sparte man sich. "Blackout", das erste Spears-Studioalbum nach vier Jahren, erscheint am heutigen Tag in bemerkenswerter Stille, ganz ohne den bei Popstars ihres Rangs - sie hat mehr als achtzig Millionen Platten verkauft - sonst üblichen PR-Wirbel. Wirbel macht Britney Spears genug seit einiger Zeit. Allerdings eher nicht mit Musik.

Im Lux 11 also schalten die beiden SonyBMG-Mitarbeiterinnen den CD-Player an, über die blechern klingenden Lautsprecher des Hotelzimmerfernsehers rumpeln die ersten Takte der Single "Gimme More", dem Soundtrack zum unmittelbar berüchtigten MTV-Awards-Auftritt, bei dem Spears bestenfalls wie ferngesteuert wirkte. Die beiden Labelmitarbeiterinnen verlassen das Zimmer. Jetzt spricht erstmal Britney Spears.

Hörbach gemachte Körperinszenierung

Mit betont lasziver Telefonstimme sagt sie aus den Fernsehlautsprechern: "It's Britney, bitch!" Ja, genau. Da ist auch schon das Problem: Britney Spears macht in ihrer Musik weiter auf zwangssexy, sie will, sie kann vielleicht auch gar nicht anders. Bloß klafft längst eine beinahe unüberbrückbare Lücke zwischen dem Bild, das sie in ihrer Musik von sich zeichnet, und dem Bild, das die Boulevardmedien von ihr verbreiten.

Auf keinem der nun folgenden, insgesamt zwölf Lieder von "Blackout" hört man Spears' Stimme ungefiltert. Meistens ist sie so verfremdet, dass auch ein Computer diese Platte hätte einsingen können. Nun ist Spears ohnehin nicht wegen ihrer Stimme berühmt geworden, die war immer nur der hörbar gemachte Teil der Körperinszenierung "Britney".

Deren Kunst bestand darin, den Lolita-Mythos kinderzimmertauglich aufzuspalten in die Performerin Britney, das unschuldig guckende Luder, und die Privatperson Britney, die reine Unschuld. Diese absurde Dialektik funktionierte jedoch nur so lange, wie die Behauptung glaubhaft blieb, die Privatperson Britney hüte ihre Jungfräulichkeit wie sonst nichts auf der Welt. Diese hanebüchene Image-Idee bettelte darum, vom Boulevard in eine Kolportage verwandelt zu werden.

Lobeshymnen drohen keine

"Oops! ... I Did It Again" hieß Spears' zweiter Welthit. Es ist das Mantra ihres Lebens. Man kann "Blackout" gar nicht hören ohne die inzwischen beinahe täglich weitererzählte Skandalfigur Britney im Hinterkopf. Versuchte man es doch, käme man zu der Erkenntnis, dass die Sängerin ein erstaunliches Album vorgelegt hat.

Vor ein paar Jahren hätte man so etwas noch eine musikalische Revolution genannt, zumindest für eine so pure Mainstreamkünstlerin: Elf der zwölf Stücke sind mit sensationeller synthetischer Kälte produziert, es gibt fast keine Refrains und Melodien, nur Beats und Sounds, mit Ausnahme des letzten, von den Neptunes produzierten "Why Should I Be Sad", einem weichen R&B-Stück, das als Happyend des Albums dient.

Die elf Stücke davor zitieren die europäische Dance-Music-Epoche zwischen den späten achtziger und frühen neunziger Jahren, Trance-Techno vor allem, nur die Tempi sind etwas eingebremst, mit Rücksicht auf die amerikanischen Hörgewohnheiten, die nach dem behäbigeren Hip-Hop getaktet sind. Ähnlich radikal änderte zuletzt vor sieben Jahren Madonna mit einem Schlag ihr Klangspektrum, vom esoterischen "Ray Of Light" zum scharfkantigen "Music". Madonna wurde dafür über die Maßen gefeiert. Britney Spears drohen keine Lobeshymnen. Dafür ist sie als eigenständige Künstlerin viel zu schwach profiliert.

Britney Spears war und ist allein Projektionsfläche, eine leere Folie - niemand traut der heute 25-Jährigen ernsthaft zu, dass sie künstlerische Entscheidungen fällt. Öffentliche Stellungnahmen zu solchen Fragen hat sie stets vermieden. Als Indizien bleiben ihre von Lohnschreibern verfassten Songtexte. Auf "Blackout" sind die von erschütternder Unsinnigkeit, ein Großteil ist blanke Straßenstrichanmache, "Get naked, get naked", "I'm about to shake my ass", "My body is craving for you", "Gimme, gimme more", "I make you feel ah-aah". Spears tut so, als könne sie einfach immer weitermachen mit der Braves-Sexhäschen-Nummer, auch nach all den unappetitlichen Skandalgeschichten.

Moment der Reflexion

Nur einmal gibt es so etwas wie einen Moment der Reflexion, in "Piece Of Me"berühren sich Image und Wirklichkeit: "I'm Miss Bad Media Karma, another day another drama", singt Spears, "guess I can't see no harm in working and being a mama." Unglücklicherweise überholen gerade die Schlagzeilen über ihre Sorgerechtsprobleme ihre Lieder schon vor deren Veröffentlichung.

Am Dienstagabend dieser Woche schließlich ruft aus New York Teresa LaBarbera Whites an, Spears' Verbindungsfrau bei ihrer Plattenfirma Jive. Normalerweise haben solche A&R-Manager anderes zu tun, als mit Journalisten zu sprechen. Doch im Fall Spears ist eben nichts mehr normal. Terese LaBarbera Whites will nur etwas zur Musik sagen.

Über die Sängerin bloß das: Spears habe jederzeit die volle künstlerische Kontrolle über "Blackout" gehabt, sie sei die präziseste, professionellste, talentierteste, am härtesten arbeitende Sängerin, mit der Whites es je zu tun gehabt habe, und, ach ja, im Studio seien Spears' kleine Kinder manchmal um ihre Mutter herumgetollt.

"Gimme More" ist in den USA das bestverkaufte Lied von Britney Spears seit ihrer Debütsingle "Baby, One More Time".

© SZ vom 26.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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