Bertelsmann: Zoff mit Kundrun:Ein Fest der Hiebe im Medienkonzern

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Eklat an Heiligabend: Beim Medienriesen Bertelsmann zankt die Führung öffentlich mit sich. Zeitschriftenchef Kundrun ist nicht zu halten.

C. Keil und H.-J. Jakobs

Es ist zehn Jahre her, da hatte Bernd Kundrun im großen Bertelsmann-Konzern eine blendende Zukunft vor sich - als Nummer zwei, womöglich auch als Nummer eins. Der promovierte Betriebswirt mit Marketing-Gefühl galt als Anwärter auf den Vorstandsvorsitz. Er sollte sich im Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr ( Stern, Brigitte) für Höheres bewähren und wurde dort logischerweise im Jahr 2000 Vorstandschef.

Manager Kundrun: Hoffentlich bleiben Freundschaften erhalten - "Euer Bernd". (Foto: Foto: ddp)

Nun, ausgerechnet zu Heiligabend, wird deutlich, dass Kundruns Tage in Europas größtem Medienhaus gezählt sind - voraussichtlich noch im Januar 2009 dürfte er gehen. Knall auf Fall wurde bekannt, dass er sein Mandat als Mitglied im Bertelsmann-Vorstand "mit sofortiger Wirkung" niederlegt. Der Gütersloher Konzern teilte kurz mit: "Der Bertelsmann-Aufsichtsrat nimmt die persönliche Entscheidung Kundruns zur Kenntnis und wird sich zu gegebener Zeit weiter äußern."

Was da dampft, ist nicht Weihrauch: Es geht derzeit heiß her zwischen Hamburg und Gütersloh. Zu Weihnachten, zum "Fest der Liebe", brachen alte Konflikte und Animositäten mit aller Macht aus. "Liebe öffnet Herzen", heißt ein Buch der Bertelsmann-Eigentümerin Liz Mohn, mit der Kundrun ein zunehmend kühleres Verhältnis pflegte - "Hass öffnet Herzen", könnte es angesichts der jüngsten Eskalation auch heißen.

Das Fax kam gegen 20 Uhr

Gegen 20 Uhr war am 23. Dezember in der Bertelsmann-Zentrale ein Fax des hanseatischen Statthalters Kundun eingetroffen. Darin teilte er kurz mit, den Bertelsmann-Vorstandsposten zu räumen - ein Affront, der es in sich hat. Traditionell ist der Chef des Hauses Gruner + Jahr (G+J), an dem Bertelsmann mit 74,9 Prozent beteiligt ist, im höchsten Gütersloher Leitungsgremium aktiv.

Kundruns Botschaft kann gar nicht fehlinterpretiert werden. Sie lautet: "Werft mich raus!" Die zwei Lenker von Bertelsmann, Vorstandschef Hartmut Ostrowski und Aufsichtsratschef Gunter Thielen, trafen sich verärgert an Heiligabend zur ostwestfälischen Krisensitzung - danach ging eine kühle Pressemitteilung in die weihnachtlich gestimmte Republik hinaus.

Offenbar hatte Kundrun, 51, am Tag vor dem Fest auch die anderen Bertelsmann-Vorstände von seinem persönlichen Ausstiegsbeschluss informiert, garniert mit dem Hinweis, er sei "traurig über die Entwicklung der letzten Wochen und Monate". Er verabschiedete sich mit der Hoffnung, dass entstandene Freundschaften weiter bestünden - gefolgt von einem donnernden "Euer Bernd".

Was da in den letzten Wochen und Monaten missraten war, hat mit Kundruns Karriereplanung zu tun. Der einstige Chef des Pay-TV-Senders Premiere hatte mit dem Münchner Privat-TV-Konzern Pro Sieben Sat 1 Media AG um den Vorstandsvorsitz verhandelt, während sein Haus drastische Einsparparolen verkündete, die eigenen Wirtschaftsmedien kapital zertrümmerte und umstrickte - sowie davon sprach, die Zeiten auf dem "Sonnendeck" seien vorbei.

Der Chef aber war offenbar auf dem Absprung, auch wenn er selbst erklärte, er habe für die Münchner Aufgabe nicht zur Verfügung gestanden - was sich womöglich dadurch erklären kann, dass die Finanzinvestoren bei Pro Sieben Sat 1 mit Thomas Ebeling lieber einen gelernten Pharmamanager und Cola-Verkäufer nahmen.

In Gütersloh jedenfalls wird darauf verwiesen, Kundrun habe - mit positivem Ergebnis - prüfen lassen, wie er aus seinem G-J-Vertrag herauskomme, der noch rund 18 Monate läuft. Auch das hat Bertelsmann-Chef Ostrowski offenbar geärgert.

Verhängnisvoller Flirt mit Pro Sieben

Als der Eklat zu Heiligabend publik wurde, musste sich der oberste Gütersloher mit Brancheninformationen beschäftigen, wonach Bertelsmann einen zu hohen Gewinnbeitrag von Gruner + Jahr fordere und Kundrun das Geld lieber in sein eigenes Haus gesteckt hätte. Offenbar wehrte sich der Hamburger Manager diesmal in den Medien gegen den Mutterkonzern, nachdem zuvor Indiskretionen über seine Pro-Sieben-Mission vermutlich aus Gütersloher Quellen gestreut worden waren. Aus dem Fest der Liebe war im Hause Bertelsmann, das 1835 aus einem Kirchenbuchverlag entstanden war, ein Fest der Hiebe geworden - eine Weihnachtsgeschichte ganz besonderer Art.

"Kundrun hat sich selbst unter Bebachtung gestellt", erklärt ein ranghoher Bertelsmann-Manager. Gruner + Jahr stagniere seit einiger Zeit, große Impulse seien ausgeblieben. Und manchem fällt auch wieder ein, dass Kundrun einst mit der packenden Aufgabe im Stern-Haus angetreten war, das Geschäft mit Zeitungen weiter auszubauen. Sichtbares Zeichen ist die rosarote Financial Times Deutschland, die allerdings seit Start vor neun Jahren noch nie einen Jahresgewinn gemeldet hat. Nun ist sie zum Leitstand der Wirtschaftspresse von G+J geworden.

Zum Schluss soll auch der Verlegerfamilie Jahr, die an dem Zeitschriftenverlag mit 25,1 Prozent beteiligt ist, das Treiben am Hamburger Baumwall missfallen haben. Kundruns Position schwächte sich zusehends.

Für Experten ist nach dem aktuellen Christbaumbrand ausgemacht, dass jetzt nur noch die Frage nach Kundruns Nachfolge offen ist. Als keinesfall sicher kann gelten, dass die G+J-Vorstände Bernd Buchholz und Achim Twardy dabei gesetzt sind. Sie werden in Gütersloh sehr mit dem kritisierten Management a la Kundrun verbunden.

Offiziell erklärt Bertelsmann, man stehe "als Mehrheitsgesellschafter unverändert zu Gruner + Jahr" und werde "das Zeitschriftengeschäft wie in den vergangenen drei Jahrzehnten gemeinsam mit der Familie Jahr als zweitem G+J-Gesellschafter auch in Zukunft weiter entwickeln". Das lässt alles offen.

Bernd Kundrun aber kann sich nochmal in die letzte Ausgabe der eigenen Zeitschrift Park Avenue vertiefen, die er einstellen musste. Eine große Geschichte handelt auch von einem gewesenen Machthaber, dem Politiker Helmut Kohl - und stellt die in solchen Fällen wichtigste Frage: "Was bleibt?"

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