Bernard Pivot:Lesefrei

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Bernard Pivot. (Foto: AFP)

Der allgegenwärtige Literaturvermittler Bernard Pivot zieht sich aus der Goncourt-Jury zurück.

Von Joseph Hanimann

In Autorenlexika würde man seinen Namen vergeblich suchen. Abgesehen von Gelegenheitswerken etwa mit Lesehinweisen für die Hausfrau von über fünfzig Jahren oder mit Betrachtungen über den Weingenuss hat Bernard Pivot keine Bücher geschrieben. Dennoch gehört er seit 2004 der Académie Goncourt an, die den einflussreichen Goncourt-Literaturpreis vergibt und der er seit 2014 präsidiert. Zum Ende dieses Jahres wolle er von diesem Amt und der aktiven Akademiemitgliedschaft zurücktreten, ließ der Vierundachtzigjährige nun verlauten.

Seine Berühmtheit braucht keine Lexikoneinträge. In seinen Fernsehsendungen "Apostrophes" und "Bouillon de Culture" sowie als Juryvorsitzender bei Goncourt hat er mehr für die Verbreitung der Literatur getan als jeder andere. "Apostrophes" war zwischen 1975 und 1990 ein wöchentliches Fernsehereignis für Zuschauer weit übers Literaturmilieu hinaus, denn anders als Marcel Reich-Ranickis späteres Pendant stand die Sendung mehr in der Tradition der heiteren Salonkonversation als der strengen Buchkritik. Bernard Pivot war stets der Überzeugung, Kulturfernsehen sei eine Sache fürs Allgemeinpublikum, und stand deshalb der Schaffung besonderer Kulturkanäle wie Arte skeptisch gegenüber. Außer für Literatur engagierte er sich speziell auch für die Rechtschreibung, aus der er mit seinen öffentlichen Diktaten einen wahren Volkssport machte.

Als Vorsitzender der Goncourt-Jury setzte er sich aktiv für klarere Auswahlregeln ein. Brief- oder Telefonvoten aus der Ferne beim Preisgericht wurden abgeschafft, und verlegerische Aktivitäten sind heute für Goncourt-Mitglieder untersagt. Auffallend ist auch, dass unter seiner Leitung in den letzten Jahren mehrere jüngere Autoren den Preis bekamen wie Leïla Slimani oder Nicolas Mathieu. Rechtzeitige Abgänge aus Verantwortungsposten gehören zu den Hausrezepten des Lebenskünstlers Pivot. Ihm stünden nicht mehr allzu viele Sommer bevor, erklärte er zu seinem Rückzug, er wolle sie anders nutzen als zur Lektüre von Literaturpreiskandidaten.

© SZ vom 05.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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