Berlusconi-Kritiker:Politik zum Heulen komisch

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Marco Travaglio ist Silvio Berlusconis zähester Beobachter. Seit 15 Jahren schreibt und redet er über ihn - nur ein Interview bekam er noch nie.

Angelika Slavic

Zwei Stunden nach diesem Gespräch wird Marco Travaglio auf die Bühne im Keller eines Münchner Jugendwohnheims steigen. Etwa 200 Menschen werden ihm dort zujubeln, die meisten von ihnen nach Deutschland ausgewanderte Italiener. Und Travaglio wird sie nicht enttäuschen. Er wird Witze erzählen, fast zwei Stunden lang: über Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, über dessen Partei Popolo della Libertà und über das seiner Meinung nach kaputte politische System Italiens. Er wird seine Zuhörer zum Lachen bringen, bis ihnen Tränen über die Wangen laufen, und manchmal wird er selbst lachen. Es wird aussehen wie ein lustiger Abend, aber das ist bloß Travaglios Art, gegen Berlusconi zu kämpfen. Gegen den Mann, der Regierungschef ist und Medienunternehmer und ein Grund, sich für Italien zu schämen, wie Travaglio findet.

Unermüdlich im Kampf gegen Silvio Berlusconi: der Journalist Marco Travaglio. (Foto: Foto: Screensho Rai Uno)

Vor dem Auftritt ist es anders. Da sitzt der kleine, drahtige Mann mit dem ungezähmten grauen Haar in einem italienischen Lokal in München-Haidhausen und wirkt gar nicht wie ein Spaßvogel. Er zählt Berlusconis Verfehlungen als Regierungschef auf: Korruption, Einschüchterung, Vetternwirtschaft, unkontrollierte Medienmacht, so geht es im Stakkato. Der Politiker nutze seine Medienmacht, um Journalisten vorzuschreiben, wie sie zu berichten haben. Und er nutze seine politische Macht, um sich Prozesse vom Hals zu halten. Travaglio sagt all das schon lange, seit 15 Jahren, seit Berlusconi erstmals Regierungschef wurde.

Marco Travaglio zählt zu den bekanntesten investigativen Journalisten Italiens und ist einer von wenigen, die sich der Macht von Silvio Berlusconi widersetzen. Der 44-Jährige schreibt auch für kleine Zeitungen, "die sich mich eigentlich nicht leisten können". Meist schreibt er über Berlusconi. Vor den jüngsten Parlamentswahlen im Jahr 2008 veröffentlichte er mit dem Journalisten Peter Gomez ein Buch, das die Vorstrafen italienischer Politiker akribisch zusammentrug. Das Fazit der Rechercheure war gleichzeitig der Buchtitel: Se li conosci, li eviti - "Wenn Du sie kennst, meidest Du sie". So etwas gab es noch nie, aber es hat nicht geholfen. Travaglio tritt auch im TV auf, seit kurzem ist er auch Kabarettist und macht Witze. Über Berlusconi. "Manchmal ist es anstrengend", sagt er.

Aber so lange es Berlusconi gibt, gibt es für ihn kein wichtigeres Thema. Gelegentlich spricht Travaglio auch über Italiens Linke. Die sei zerstritten und schwach: "Wenn es sie nicht gäbe, hätte Berlusconi sie genau so erfunden." Die Schwäche der Opposition sei schuld daran, dass Berlusconi sicher im Sessel des Ministerpräsidenten sitze. Die Linke sei auch schuld daran, dass er, Travaglio, andauernd all diese Dinge sagen müsse.

Travaglios Auftritte kommen in Italien an, seine Bücher verkaufen sich trefflich. Er müsste Berlusconi fast dankbar sein. "Wenn er irgendwann weg ist, werde ich ihn nicht vermissen", sagt er. Dann werde er über andere Dinge schreiben, im Fernsehen über andere Dinge sprechen. "Aber das geht erst, wenn Berlusconi Geschichte ist." Dass in den 15 Jahren Berlusconis Macht eher gewachsen ist, hat ihn müde gemacht, nicht hoffnungslos. "Wenn er weg ist, werde ich noch da sein", sagt Travaglio. Dann werde er eine sehr große Party geben. Dann wäre seine Mission beendet.

Ein Interview mit Silvio Berlusconi hat der Journalist noch nie bekommen. Nicht einmal bei einer Pressekonferenz durfte er ihm eine Frage stellen. Was er fragen würde, wenn er könnte? Travaglio überlegt. Berlusconis Taten sprächen für sich, sagt er schließlich. "Da bleiben keine Fragen offen."

© SZ vom 27.1.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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