Berlinale-Eröffnung:Tilda, Tilda! Tikwaa, Tikwaa!

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Star-Auflauf in Berlin bei der Eröffnung der Filmfestspiele: Das Geschrei am roten Teppich war wieder vorbildlich - auch wenn es mit der korrekten Aussprache nicht immer so klappte.

Franziska von Kempis, Berlin

Dicht gedrängt, kaum Platz, den roten Teppich fokussiert, alles wartet. Endlich, das erste Auto fährt vor. "Wer is'n das", fragt eine rothaarige Frau. "Kein Ahnung, unspannende Pappnase", ruft der silberhaarige Mann in Motorradkluft neben ihr. Die "Pappnase" ist Dieter Kosslick, der Berlinale-Direktor. Er ist immer der Erste. Um die Gäste der Berlinale-Eröffnung zu begrüßen.

Mit Tom Tykwers Film "The International" wurde die Berlinale eröffnet. Auf dem roten Teppich grinste der Regisseur lieber für die Kameras als für die Fans. (Foto: Foto: AFP)

Die 59. Berlinale eröffnet mit Tom Tykwers Wirtschafts-Thriller "The International". Clive Owen und Naomi Watts kämpfen gegen eine mächtige Banken-Mafia. Passt in die Zeit.

Vielleicht wurde deshalb am roten Teppich gespart. Der ist nur knapp 20 Meter lang. Direkt vor ihm halten die Limousinen mit ihrem Glamour-Inhalt. Zwischen Autotür und Eingang zum Berlinale-Palast haben rechts und links des Teppichs nur die Dutzenden von Fotografen und Kamerateams Platz.

Sehr zum Ärger der Hunderten von Fans. "Scheiß-Presse", regt sich ein Mann mit Schnauzer und Brille auf, als Berlinale Jury-Mitglied Tilda Swinton für die Fans nur ein gelächeltes Winken übrig hat. Dann weht sie davon in ihrem Flatter-Kleid, das sich farblich übergangslos an ihren blassen Teint schmiegt.

Also muss eine bessere Taktik her. Eine Blondine mit einem "I love Clive Owen"-Plakat in den Händen heizt ihre Handvoll Freundinnen an: "Tilda-Tilda-Tilda". Immer mehr Fans stimmen mit ein. Es nutzt nichts.

Nicht jeder Star lässt sich so lange erfolglos bitten. Vorbildlich: Nina Hagen. Einer zählt vor: "Eins! Zwei! Drei!". Dann brüllt es der Hagen aus gefühlt Tausend Kehlen entgegen: "NIIIINA!"

Die schrille Punklady grinst mit weit aufgerissenem Mund, was bei ihr eine Kunst an sich ist. "Ick bin doch im Film gar nicht drin", sagt sie. Und unterschreibt auf einem Naomi-Watts-Plakat, dass ihr ein Mann über mehrere Fans hinweg reicht.

Lesen Sie auf Seite zwei: Die Ankunft der Stars.

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Was machen die Berlinale-Stars in der Krise? Sie legen ihre Gagen klug an und erklären, wie das geht: Die besten Finanztipps, frisch in Bildern vom roten Teppich.

Zurück auf dem roten Teppich stöckelt sie, ohne stehen zu bleiben, Richtung Palast-Eingang. Die Fotografen schreien erst "NINA!", dann buhen sie, als "NINA!" nicht stehen bleibt. Sie ist schon an der Phalanx der Kameraobjektive vorbei, als sie sich umschaut, ein paar Schritte zurück geht und den Fotografen gibt, was die wollen: Echte Nina-Posen. Dazu gehören: geschwärzte Haare zerzausen, Grimassen schneiden und mit den Augen rollen, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Der Weg von Heike Makatsch führt direkt vom Auto zur Fan-Absperrung. Ein dunkelhaariger Zwei-Meter-Mann in schwarzer Bomberjacke beginnt umgehend in seiner kühlboxgroßen Tasche zu kramen und befördert dabei Autogrammkarten vermutlich sämtlicher weltweit verfügbarer Schauspieler zutage, mehrere DinA4-Spiralblöcke mit eingeklebten Starfoto sowie diverse Faser-Stifte. Was er aber sucht, sind die original-verpackten DVDs. Für jeden den passenden Film. Endlich, der Heike-Film. Sie unterschreibt, gibt den Film zurück, lächelt. Hinterher ärgert sich der Autogrammjäger. "Jetzt hab ich ihr nicht den wasserfesten Stift gegeben."

Einige Fans erkennen Jürgen Vogel, was schwierig ist. Vogel trägt schwarze Wollmütze zu blauem Parka. No glitzer, no glamour. "Jürgen, komma rübba", brüllt ein glatzköpfiger Mann in schwarzem Mantel. Was Jürgen wohl auch gerne würde. Jedenfalls hüpft und winkt er Richtung Fans. Aber Jürgen sitzt hinter einem Nebenzugang zum roten Teppich fest. Der Security-Mann lässt ihn nicht rein. Jürgen versucht es über einen anderen Weg. Auf dem roten Teppich aber wird er an diesem Abend nicht mehr gesehen.

"Ich habe ihn angefasst!"

Zum Schluss: Die Stars des Abends. Eröffnungsfilm-Regisseur Tom Tykwer steigt aus der Limousine und winkt der Menge zu. "Tikwaaaa! Tikwaaaa!" - es klingt wie ein Balzruf liebestrunkener Pfauen, als zwei Jungs seinen Namen rufen. Doch "Tikwaaaa!" ist wohl nicht nach Fans, er badet lieber im Blitzlichtgewitter.

Und Clive Owen. Er kennt seine Pflichten, wandert die vorderste Fan-Reihe ab. Ein Lächeln für Kameras, eine Unterschrift hier, ein Händedruck dort. Hinter der Absperrung wird es hektisch, alles drängelt nach vorne. Ein Mädchen in pinker Daunenjacke und kältegerötetem Gesicht setzt sich samt Autogrammkarte auf die Schultern ihres Vordermannes. Die Taktik geht auf. Owen signiert.

Das Mädchen ist ganz aus dem Häuschen danach. Sie packt ihre Freundin an den Armen, beide hüpfen wie zwei Flummis auf und ab. Ihre Hände müssen die von Clive Owen berührt haben. "Ich habe ihn angefasst!", kreischt sie, "ich habe ihn angefasst!"

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