Bayreuther Festspiele:Nicht einmal ein kleiner Skandal

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Die Sänger wurden mit großem Beifall bedacht, die Buh-Rufe hielten sich in Grenzen, nur das chaotische Bühnenbild irritierte einige Premierengäste. Doch verglichen mit bisherigen Skandalen des Theaterprovokateurs Schlingensief war dessen Neuinszenierung von Wagners "Parsifal" brav - und überraschend gut.

Der von manchem befürchtete Skandal bei der Neuinszenierung von Wagners "Parsifal" von bei den Bayreuther Festspielen ist am Sonntag ausgeblieben. Schlingensiefs Wagner-Sichtweise hatte bereits im Vorfeld der Festspiele für heftige Aufregung gesorgt.

Zuletzt gab sich der Sänger des Parsifal, Endrik Wottrich, entsetzt über die Regiearbeit des 43-jährigen Theaterprovokateurs, der zuvor noch nie eine Oper inszeniert hatte.

Doch nach der Premiere sprach Festspielchef Wolfgang Wagner, mit dem Schlingensief manchen Streit ausgetragen hatte, beim anschließenden Empfang von einer "geglückten Aufführung". Der Filmemacher und Regisseur, der seine erste Opernarbeit vorlegte, interpretiert Richard Wagners Spätwerk als heidnisch-christliches Kultstück um Geburt, Tod und Erlösung.

"Chaotisch symbolisierter Schrebergarten"

Dabei bedient er sich uralter Mythen und nimmt Anleihen bei afrikanischen Traditionen. Er zeigt die Gralsburg als einen Schmelztiegel von Nationen und Religionen, die gemeinsam des Frieden stiftenden Erlösers harren.

Immer wieder werden Szenen mit Videosequenzen überblendet, als deren zentrale Figur Schlingensief - inspiriert von Joseph Beuys - den Hasen ins Spiel bringt: Mythos der Fruchtbarkeit, Symbol der Friedenssehnsucht, doch auch Opfertier, am Ende - in bühnenfüllender Projektion auf die Leinwand geworfen - tot, verwesend.

In einer ersten Reaktion sprach Starregisseur Dieter Wedel von "toll-spannendem Theater". Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte: "Das muss ich erst verarbeiten." Seine Gattin Karin zeigte sich indes angetan: "Theater muss auch revolutionär sein, um die Menschen aufzurütteln." Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich bekannte, die Inszenierung sei "sehr anregend".

Für Bayerns Innenminister Günther Beckstein ist die Arbeit Schlingensiefs "gewöhnungsbedürftig", Finanzminister Kurt Faltlhauser (beide CSU) verglich sie mit einem "chaotisch-symbolistischen Schrebergarten". Für CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer war die Aufführung "etwas verwirrend".

Pünktlich um 16.00 Uhr hatte das wichtigste deutsche Festival von internationalem Rang begonnen. Zur Eröffnungspremiere war wieder viel Prominenz erschienen, darunter CDU-Chefin Angela Merkel und der neue EU-Kommissionspräsident José Durao Barroso.

Bis zum 28. August stehen insgesamt 30 Vorstellungen auf dem Programm. Als zweite Aufführung folgt am Montag der "Tannhäuser" in der Inszenierung des Franzosen Philippe Arlaud. Am Dienstag geht Jürgen Flimms Version des "Ring des Nibelungen" mit dem "Rheingold" ins fünfte und letzte Jahr. Claus Guths Deutung des "Fliegenden Holländer" unter der musikalischen Leitung von Marc Albrecht bildet den Abschluss des Premierenzyklus.

Am Rande der Eröffnung hatten rund 30 Demonstranten gegen Sozialabbau protestiert. Sie hielten den Besuchern der "Parsifal"-Premiere Transparente mit der Aufschrift "Stoppt den Sozialabbau" entgegen.

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