BayernPartie:Bocksgesang und Stille

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Anarchische Sinnlichkeit: Hansjörg Voths titellose Zeichnung, die er mit Stahlstift und Wasserfarben fertigte. (Foto: VG Bild Kunst Bonn 2015)

Hannsjörg Voth und Ingrid Amslinger stellen gemeinsam im Kunsmuseum Bayreuth aus

Von GOTTFRIED KNAPP

Künstler-Ehepaare, die auf verschiedenen Gebieten tätig sind, bekommen selten die Chance, gemeinsam auszustellen. Bei dem Zeichner und Land-Art-Künstler Hannsjörg Voth und seiner Frau, der Fotografin Ingrid Amslinger, war es besonders sinnvoll, dass sie einmal gemeinsam gewürdigt wurden. Voth hat seine Serie bildhauerischer Großobjekte in der Landschaft mit drei aus Stampflehm errichteten Monumenten in Marokko abgeschlossen. Diese Objekte - die mehrgeschossig bewohnbare "Himmelstreppe", die in Spiralform sich über die Erde erhebende "Goldene Spirale" und die aus vielen besteigbaren Türmen bestehende "Stadt des Orion" - sind von Ingrid Amslinger im Wechsel der Tageszeiten so suggestiv fotografiert worden, dass sich die Faszination dieser Kunstgebilde in der Natur auch in Katalogen mitteilt. Dieser Teil des Werks der Voths ist also bestens dokumentiert. Doch was die beiden sonst in den Wintermonaten, in denen die Lehmwände der Bauten hochgezogen wurden, in der marokkanischen Wüste geschaffen haben, ist bislang kaum irgendwo gezeigt worden.

Dass nun das Kunstmuseum Bayreuth seine gesamten Räumlichkeiten für eine Präsentation dieser Werkkomplexe zur Verfügung gestellt hat, kann man nur als großen Glücksfall empfinden. Voth hat in den vielen langen Winternächten, die er allein und ohne Kontakt zur Außenwelt in den beengten Kammern seiner Bauten zugebracht hat, ein riesiges zeichnerisches Werk geschaffen. Man könnte es mit dem Satz charakterisieren: "Die Einsamkeit gebiert Ungeheuer." Man glaubt, einen experimentierenden Dämon am Werk zu sehen, der sich humane und animalische Lebewesen als Kumpane erschafft. Die anarchische Sinnlichkeit der aus dem Papier herausgestrichelten Geschöpfe springt jedenfalls direkt auf den Betrachter über.

Ganz anders die Wirkung der Schwarz-Weiß-Fotografien von Ingrid Amslinger. Sie hat am Himmel über der Wüste, an den vom Wind anatomisch weich geformten Dünen und in der sandsturmbewegten Ebene atmosphärische Wunder in Schwarz-Weiß entdeckt, die dem Bocksgesang der Zeichnungen etwas Kosmisches entgegensetzen.

Hannsjörg Voth, Ingrid Amslinger: Jenseits der Zeit

© SZ vom 26.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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