Bassistin:Im Dienste der Band

Lesezeit: 3 min

Kinga Glyk verehrt Jaco Pastorius und ist auf dem Weg, selbst eine große Musikerin zu werden

Interview von Oliver Hochkeppel

Sie ist im Moment eines der heißesten Eisen im Feuer des europäischen Jazz. Die gerade einmal 20 Jahre alte polnische Bassistin Kinga Glyk bringt einiges mit: eine phänomenale Technik am E-Bass, die in ihrer Familienband erlernte traumwandlerische Sicherheit im Zusammenspiel nit anderen Musikern und dazu funkige, überaus zugängliche eigene Songs. Ihr drittes, bei Warner erscheinendes Album "Dream" stellt sie jetzt samt ihrer mit internationalen Musikgrößen besetzten Band im Rahmen der Deutsch-Polnischen Kulturtage in der Dachauer Kulturschranne vor.

SZ: Das Klischee sieht den Bass ja als männliches Instrument. Wie sind Sie dazu gekommen?

Kinga Glyk: Meine Geschichte beginnt, als ich zwölf war. Aber ich wusste es früher, schon mit sechs, sieben habe ich vor dem Radio Luft-Bass mitgespielt. Ich sagte meinem Vater, dass ich Bass spielen wollte, aber er antwortete, der sei nichts für Mädchen, die spielten andere Instrumente. Mit zwölf gab er dann nach und brachte mir einen kleinen E-Bass. Ich versuchte mich darauf und wusste sofort: Ja, das ist es.

Sie hatten - auch wenn Sie mit dem gar nicht spielen - den Bogen sozusagen schnell raus. Hatten Sie einen wichtigen Lehrer?

Ich war nie auf einer Musikschule, aber ich hatte Privatstunden bei vielen guten polnischen Musikern. Mein Vater als Vibrafonist und mein Bruder als Schlagzeuger kennen eben viele. Ich habe auch viel im Internet oder aus Büchern gelernt. Und natürlich am meisten von meinem Vater, er ist bis heute mein wichtigster Lehrer. Ich habe es auch von Anfang an geliebt, auf der Bühne zu stehen. Die Auftritte mit dem Familientrio waren meine beste Schule.

Ihr Stilbewusstsein erstreckt sich nicht nur auf den Fender Jazzbass: Kinga Glyk ist Anfang 20 und freut sich schon auf eine Europa-Tour. (Foto: Peter Hannemann)

Bislang war es also eine Familienangelegenheit, jetzt spielen Sie aber bei "Dream" mit internationalen Größen: dem Saxofonisten Tim Garland, dem Pianisten Nitai Hershkovits und dem Schlagzeuger Gregory Hutchinson. Ist das auch ein Prozess des Erwachsenwerdens?

Es war ein Traum für mich, mit so großartigen Musikern zu spielen. Wir haben uns im Studio das erste Mal getroffen, aber sie haben mich von Anfang an enorm unterstützt und sich voll in meine Musik eingebracht. Ich habe viel von ihnen gelernt und glaube, dass wir ein tolles Album gemacht haben.

Haben Sie sich die Begleiter selbst ausgesucht?

Ich habe zusammen mit meinem Vater vor dem Computer gesucht, wessen Spiel dieselben Gefühle, denselben Spirit ausdrückt. Dann haben wir Tim, Nitai und Gregory geschrieben, und sie waren sofort bereit und glücklich, mitzumachen.

Eine Art Internet-Audition also. Abgesehen von zwei Cover-Songs stammen alle Stücke des Albums von Ihnen. Haben Sie von Anfang an komponiert?

Jeder fragt mich danach. Aber es ist doch bei den meisten so, dass man dasitzt und einfach zum Spaß spielt. Und an einem guten Tag fällt einem eine Melodie ein, die die Gefühle ausdrückt, die man hat. Ich nehme immer alles mit dem Handy auf, damit ich später noch was habe, was einmal für ein Stück nützlich sein könnte. Wenn ich eine Melodie oder einen Beat gefunden habe, gehe ich zu meinem Vater und frage ihn, ob es ihm gefällt. Wenn ja, dann machen wir etwas daraus.

Kommen die wirklich ausgeklügelten Arrangements, etwa für Garlands Bassklarinette auch von Ihnen?

Um die Bassklarinette habe ich Tim explizit gebeten, weil ich das Instrument liebe. Normalerweise spielt er Tenor. Bei allem habe ich das Thema und die Instrumentierung vorgegeben. Wenn es mir grundsätzlich gefallen hat, wie sie meine Ideen aufnahmen, dann konnten sie danach damit spielen, wie Sie wollten. Wir sind ja alle Jazzer und offen für alles.

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Auf dem Album findet sich "Teen Town" des stilprägenden Bassisten Jaco Pastorius. Ihr Spiel erinnert generell an ihn, ist er ein Vorbild?

Ja, das stimmt, Jaco Pastorius ist mein großer Held. Ich glaube, bei ihm zu hören, dass jede Note eine besondere Bedeutung hat. Genau das versuche ich in meiner Musik auch zu erreichen.

Er war wie Sie ein ganz großer Virtuose, hat sein Können allerdings nie in den Vordergrund gestellt.

Er nutzte es für die Musik. Als Bassistin stehe ich zwar manchmal auch im Mittelpunkt, spiele aber meist für die Band. Das Zusammenspiel ist für mich das Wichtigste an der Musik.

Dabei sind Sie stilistisch sehr offen, verbinden Jazz mit Funk, Pop oder sogar Volksmusik. Liegt das auch schon in der Familie?

Bei uns zuhause wurde schon hauptsächlich Jazz gehört. Ich denke, mein Vater hatte da schon auch missionarischen Eifer. Die meisten jungen Leute wollen heute nur einfache Musik hören, ich finde es schön, wenn man ihnen zeigen kann, dass der Jazz auch auf Anhieb großartig klingt und man zu ihm tanzen kann. Dazu bin ich offen für jede Art von Musik, die ich verwenden kann, um noch überzeugender zu sein.

Sie machen mit 20 schon ordentlich Karriere. Was sind Ihre Ziele?

Ich sage immer, meine Träume wurden schneller wahr, als ich es je erwartet hätte. Ein wichtiger Punkt in meinem Leben war, als ich meine Version von Eric Claptons "Tears In Heaven" aufgenommen und ins Internet gestellt habe. Ich hatte 20 Millionen Views auf Facebook. Viele schrieben mir: "Wir kannten Dich nicht, jetzt lieben wir, was Du spielst." Das Tollste ist, dass wir jetzt in ganz Europa auf Tour gehen können. Was danach kommt, weiß ich nicht. Natürlich habe ich noch Träume und plane schon das nächste Album. Aber wer weiß schon, was passiert.

Kinga Glyk, Freitag, 24. November, 20 Uhr, Kulturschranne Dachau, Pfarrgasse 13

© SZ vom 24.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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