"Barbarella" in Wien:Die Nummern-Revue an der Orgasmus-Orgel

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Das Bühnen-Design ist beeindruckend. Die Vorlage zum Stück ist es auch. Außerdem kennt man ja noch Jane Fonda, die anno 1968 die Titelrolle im gleichnamigen Film spielte. Die Voraussetzungen sind also bestens. Herausgekommen ist ein "Schnackseln-für-Roboter"-Trailer mit Musikeinlage.

GERHARD PERSCHÉ

Das, so moserte ein Herr während der Uraufführung des Musicals ¸¸Barbarella" im Wiener Raimund-Theater, hätte er sich anders vorgestellt. Wir auch. Mit ¸¸das" war wohl jene erfreuliche Tätigkeit gemeint, die der Älpler ¸¸schnakseln" nennt - für die Comic-Barbarella in den 1960er Jahren so lebensnotwendig wie das Croissant zum Frühstückskaffee ihres Schöpfers Jean-Claude Forest, und der Pfeffer in dessen gezeichnetem Galaxie-Ratatouille.

"Das ist für ein Stück, das eigentlich sehr profan und oberflächlich daherkommt, eine starke Aussage . . ." Immerhin (Foto: Foto: dpa)

Dass Forest ¸¸das" ins Zentrum seines Comic stellte, wurde ihm nicht nur von Feministinnen vorgeworfen. Im Zeichen einer vorgeblichen sexuellen Befreiung sei die Frau in diesen Strips zum Wunsch-Wesen, zum vom Sex besessenen Libido-Objekt geworden. Dagegen sahen andere Barbarella als Ikone der Emanzipation, als eine, die ihre Sexualität selbst in die Hand nehme, und manch" anderes dazu, bis hin zum Tête-à-tête mit der Schwarzen Königin.

Solche befreiend emanzipatorische Momente gehen im Musical freilich unter. Zwar hielt sich Rudi Klausnitzer, Produzent, Buchautor und Texter, nach einem frei erfundene Vorspiel recht genau an das originale Barbarella-Album ¸¸Engel haben kein Gedächtnis", doch gerieten ihm die Abenteuer der Titelheldin auf dem Planeten Sogo zur eher belanglosen Nummern-Revue. Wohl gibt es das Tête-à-tête, auch die berühmte Lust- und Orgasmus-Orgel sowie den stilvollen, wenn auch mechanisch liebenden Roboter Victor. Doch Esprit und erotischer Charme von Forests Comic, die einst die Phantasie einer ganzen Generation entflammten, bleiben auf der Strecke.

Nina Proll entwickelt als Barbarella eher die Erotik ihrer Namensvetterin Barbie. Sie wirkt wie mit dem Joystick manipuliert, eine Animation aus einem Computergame. Nicht nur findet ¸¸der eigentliche Sex in der Pause statt", wie sie schon im vorhinein verriet, sondern offenbar auch ziemlich alles, was den Abend wirklich aufregend machen könnte. Forests Comic oder auch Roger Vadims Film von 1968 mit Jane Fonda bleiben Phantome der Erinnerung.

Sweet Dreams an die goldenen Zeiten von Eurythmics auch bei Dave Stewarts Musik. Was die Pop-Ikone hier als Soundfolie bietet, hat immerhin den Charme des Regenbogens: eine eklektische Revue vom Bigband-Sound und den frühen Stones bis zu Techno, Synthiepop und Clubbing-Flair. Ein bisschen Anleihe auch beim Lord Lloyd-Webber und - bei Nino Rota.Viele, viele Songs, von denen kaum einer in Erinnerung bleibt. Dass sie mit überproportionaler Lautstärke serviert werden, macht sie auch nicht einprägsamer. Im Gegenteil, man versteht dadurch eher wenig von den Texten. Allerdings ist das bei deren Poesiealbum-Banalität (¸¸Wer nichts riskiert, wird das Licht niemals sehen") kein Schaden.

Das Visuelle der Show hingegen ist beeindruckend. Dafür wurde auch richtig geklotzt: Bühnendesigner Mark Fisher (baut auch für Pink Floyd, die Stones und U2), die Kostümdesigner Patricia Field (¸¸Sex and the City") und David Dalrymple (als Britney Spears" Enthüller berühmt geworden) sowie Willie Williams (Lichtdesign auch für Bowie und die Stones) werkten, um das Auge des Besuchers zu überraschen. Kim Duddys Regie freilich bedient sich aus dem Musterkoffer der üblichen Musical-Klischees. In der Darstellerriege überragend der Amerikaner Drew Sarich als ¸¸Meister der Schlüssel", ein Milchbruder des Frank N. Furter aus der Rocky-Horror-Picture-Show. Bei Eva Maria Marolds Schwarzer Königin lässt Nina Hagen grüßen.

Die hübsche Parodie-Nummer, in der Roboter Victor (Andreas Bieber) träumt, er wäre Fred Astaire, dürfte auch die Älteren entzücken, doch ansonsten scheint der Event vor allem auf Teenies ausgerichtet. Die fanden die Sache denn auch cool und jubelten. Aber gab"s da nicht auch eine zweite Ebene: die schwarze Königin als Barbarellas Alter Ego, deren ¸¸Schatten" im Sinne des Psychoanalytikers CG Jung? ¸¸Die Aussage am Schluss des Abends ist ja", so Nina Proll, ¸¸dass ich lerne, den Feind zu lieben, die Schattenseiten, das vermeintlich Schlechte zu akzeptieren. Das ist für ein Stück, das eigentlich sehr profan und oberflächlich daherkommt, eine starke Aussage . . . "

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.65, Donnerstag, den 18. März 2004 , Seite 15 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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