Austro-Pop:Mit Gefühl

Lesezeit: 3 min

Gert Steinbäcker war ein Drittel der Gruppe "STS". Heute ist er Solokünstler, hat ein neues Album veröffentlicht und ist unterwegs auf Konzertreise

Interview von Michael Zirnstein

So etwas machst du nur einmal im Leben", sagt Gert Steinbäcker. Damit meint der Grazer Liedermacher das Stück, das der Opernstar Erwin Schrott mit ihm auf dem Solo-Album singt, was ihn "sehr happy" mache. Genauso gut könnte "das erste S von STS" aber auch die vielen anderen Gäste auf "Ja eh" meinen: Hubert von Goisern, Wilfried, Thomas Spitzer und die Weggefährten Günter Timischl und Schiffkowitz. Oder die Orchesterversionen seiner Hits "Großvater" und "Mach die Augen zu". Einmalig, aber nicht endgültig. "Man muss rege bleiben", sagt der 64-Jährige.

SZ: Viele wissen gar nicht, dass Sie von 1970 an zwei Jahre lang in München lebten.

Gert Steinbäcker: Ja, ich war davor in Marburg, der Liebe wegen. München war der Mittelpunkt des Heimwegs. Ich habe in Haidhausen gewohnt, war Wäschereiarbeiter und Statist bei der Bavaria, in zwei Derrick-Filmen war ich als Polizist dabei. Da gab es pro Drehtag 70 Mark. Eine Minute mehr als acht Stunden: noch mal 70 Mark. Sprechrolle: 70 Mark. Und ich bin mit 210 Mark nach Hause. Weil erst mal haben wir in Grünwald auf einen Nebelmörder gewartet - und der Nebel kam nicht. Meine Sprechrolle bestand darin, dass ich nach gelungener Verhaftung die Pistole abgelegt habe, eine Zigarette rausholte und zum Kollegen sagte: "Du auch?"

Da wurden Worte mit Gold aufgewogen. Musikalisch war die Zeit eher erfolglos, oder?

Es war eine Null-Action-Zeit, musikalisch nicht vorhanden. Ich habe nur gelegentlich unbedarfte Demos an Plattenfirmen verschickt mit seltsamen englischen Texten. Seltsam, weil schlecht. Die sind kommentarlos verschwunden, aber mit Recht. Zu der Zeit war ich 20 Jahre alt, wollte zwar mit Musik zu tun haben, hatte aber wenig Vorstellungskraft, was genau.

„Irgendwann bleib i dann dort“ – Gert Steinbäcker hat heute ein Haus auf Korfu. (Foto: Christian Jungwirth)

Damals hatten sie schon mit Thomas Spitzer in einer Band gespielt, der später mit der Ersten Allgemeinen Verunsicherung bekannt werden sollte. Er nennt sie einen "Einzelkämpfer, Profizyniker und scheinbar den Härtesten unter den Verletzbaren". Ein guter Freund?

Ich habe ihn sehr lange nicht gesehen, ich bin ja oft in Griechenland. Es ist eine dicke Freundschaft, aber keine, die zelebriert wird.

Sie haben anfangs auch in der EAV gesungen. Warum haben Sie sich für STS entschieden?

Ich habe mit der EAV nur "Café Passé" gemacht, die Erfolgszeit kam nach mir. Bei der EAV war Thomas der Boss. Damit er mich ruhig stellt, hat er mich auch mal zwei Songs komponieren lassen. Bei STS habe ich vollen Auftrag gehabt, als Drittel zu arbeiten. Ich hätte gerne noch länger beides gemacht - aber beide Bands sind ins Rollen gekommen. Passt schon.

Bringen wir die Frage hinter uns: Warum haben sich STS nach 40 Jahren aufgelöst?

Genaugenommen gibt es die Band eh noch immer. Das sind drei individuelle Schreiber und Sänger, nur es gibt keine Auftritte mehr, weil der Günter sich aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht mehr in der Lage sieht. Das muss man akzeptieren. Weil STS ist schon eine Drucksituation gewesen. Wir können nicht hergehen und ein kleines Konzert spielen, weil dann sagen die Leute: "Du bist nicht ganz dicht!" Aber ich schließe nicht aus, dass es aus speziellen Anlässen, wieder Studioaufnahmen geben kann.

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Was bedeutet es für Sie, dass Günter Timischl und der Schiffkowitz an Ihrer Solo-Platte am Song "Alles hat sei Zeit" mitgewirkt haben?

Es ist Tradition. Die zwei Jungs singen bei jeder meiner Soloplatten einen Song. Mein Text ist in die Richtung gegangen, etwas zu unserer gemeinsamen Vergangenheit zu sagen. Da die beiden keine Idioten sind, haben sie den Text vorher gelesen und waren einverstanden.

Konnten Sie auf Ihren Solo-Alben etwas machen, was sie bei STS nicht verwirklichen konnten?

Nicht so konkret, aber gefühlsmäßig schon.

Apropos Gefühl: Wenn man ihr Flüchtlings-lied "Liebe und Musik" mit dem Opernsänger Erwin Schrott hört, sind Sie schon sehr traurig über den Lauf der Welt?

Eine bekannte Wienerin hat auf Samos ein Boot gekauft, mit Team, das halb tote Flüchtlinge aus dem Wasser fischt. Bei dem Boot habe ich mitgezahlt. Das hat mir die Idee zur dritten Strophe des Liedes gebracht. Ja, macht alles gerade weniger Spaß. Man kann nur bedauernd staunen über den Rechtsruck in der westlichen Welt. Ich komme ja aus der Denkgeneralrichtung der 68er, da bin ich empathischer, verzeihender, verständnisvoller, das ist die Gegenfahrbahn. Als Liederschreiber hat man immer weniger Begleitfunktion. Früher waren die Ohren offener für schlüssige Gedichte. Heute ist die Zeit der Schlagworte, eine Suche nach einfachen Lösungen aus einer Angst vor dem Unbekannten. Niemand sagt mehr: Warum eigentlich? Da sind Hunde und Katzen mit Ohren zurücklegen und wieder aufstellen ausdrucksvoller. Aber es gibt auch zarte Pflänzchen einer Gegenbewegung. Schwarzsehen tu ich nicht.

Wie entstand die feierliche Instrumentalversion Ihrer Aussteiger-Hymne "Irgendwann bleib i dann dort"?

Korfu hat eine große Tradition in Brassbands, die haben 18 Blaskapellen. Ich habe ein Haus in der Nähe von Gastouri. Ein Freund von mir spielt in der Blaskapelle dieses Ortsvereins, deshalb haben die drei Stücke von mir fix ins Programm genommen. Als ich das angehört habe, war ich gerührt. Der Schreiner, der Fleischhacker sind bei den Tubas, die Jungen sind bei den Klarinetten, und alles in schweren Uniformen. Es hat ein bisschen was von einem Trauermarsch, die spielen in einer seltsamen Mollstimmung, die bei uns nicht mehr üblich ist.

Gert Steinbäcker ; Montag, 20. November, 20 Uhr, Carl-Orff-Saal, ausverkauft

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: