Arte-Porträt: Der Mann hinter Adenauer:Die Spinne

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Sehenswert: Wie Adenauers Kanzleramtschef Hans Maria Globke aus dem Schatten der Lichtgestalt trotz brauner Vergangenheit ins Zentrum der Macht kam, zeigt Arte in einem Portrait.

Ch. Kohl

Es gab viele Mitläufer der Nazis, die es nach dem Zusammenbruch der NS-Diktatur in Deutschland verstanden, sich bestens mit den neuen Verhältnissen in der Nachkriegszeit zu arrangieren. Nur ganz wenigen aber gelang so ein nahtloser Übergang wie dem Ministerialbeamten Hans Maria Globke: Einstmals einer der Kommentatoren von Hitlers Rassegesetzen, stieg Globke nach dem Krieg zum Staatssekretär im Kanzleramt auf, wo er jahrelang als rechte Hand von Konrad Adenauer wirkte.

Unheimliche Karriere: Von 1953 bis 1963 war Globke (rechts) Staatssekretär im Kanzleramt und damit Adenauers (links) engster Vertrauter. (Foto: Foto: dpa)

Er war "die Spinne im Netz" der Bonner Politik, wie der SPD-Politiker Egon Bahr meint, der später auf Globkes Stuhl im Kanzleramt saß. Ein Drahtzieher der Macht in der jungen Bundesrepublik und zugleich eine schillernde Persönlichkeit, über deren Vergangenheit heftiger Streit entbrannte.

Wer war Hans Maria Globke? In einer Dokumentation für den Sender Arte haben die Autoren Jürgen Bevers und Bernhard Pfletschinger jetzt den Lebensweg dieses deutschen Technokraten nachvollzogen. Dabei interviewten sie einstige CIA-Agenten und entdeckten bislang noch unveröffentlichte Dokumente in Archiven.

So entsteht nicht nur ein detailliertes Bild der politischen Person Globke, der Film wirft auch ein Licht auf die frühe BRD und ihre verschlungenen Verbindungen zur NS-Zeit. Da wird von einem Wahlkampfdeal zwischen CDU-Mann Globke und dem SPD-Kandidaten Willy Brandt berichtet wie auch von den Aktivitäten des Kanzleramts, tunlichst zu verhindern, dass Parallelen zwischen Globke und dem Vollzugsbeamten des Holocaust, Adolf Eichmann, öffentlich wurden.

Verstrickt in die Mordmaschine

Als Beamter des Reichsinnenministeriums hatte Globke, Jahrgang 1898, bereits vor 1933 mit einem Runderlass verhindern wollen, dass Juden sich "hinter deutschen Namen verstecken konnten".

1936 schrieb er mit seinem Vorgesetzten Wilhelm Stuckart den maßgeblichen Kommentar zu den 1935 von Beamten des Innenministeriums entworfenen Rassegesetzen, die Ehen und sexuelle Verbindungen zwischen Juden und Nichtjuden untersagten und später als pseudorechtliche Grundlage für den Holocaust dienten. Und auch daran war Globke wieder beteiligt, wie die Arte-Autoren jetzt herausfanden: So arbeitete er 1941 offenbar an der 11. Durchführungsverordnung zum "Reichsbürgergesetz" mit, jener Bestimmung, auf deren Grundlage die Juden enteignet und in den Tod deportiert wurden.

Als Beamter war Globke mithin tief verstrickt in die Mordmaschine der Nazis, doch formell wurde er nie ein Nationalsozialist. Er war tiefgläubiger Katholik und zunächst Mitglied der Zentrumspartei. Als er 1941 der NSDAP beitreten wollte, wurde dies jedoch abgelehnt - offenbar wegen Globkes Kontakten zum katholischen Bischof von Berlin, Konrad von Preysing. Diesem spielte er wohl auch schon frühzeitig Informationen über die Deportationen zu.

Kontakte zu den Widerständlern des 20. Juli aber unterhielt Globke entgegen eigener Darstellung offenbar nie.

"Globke ist einer meiner fähigsten Beamten", lobte der NS-Innenminister Wilhelm Frick den Ministerialen. Nach dem Krieg aber trat dieser beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess als Kronzeuge gegen den Mitangeklagten Frick auf.

1949 holte Adenauer Globke dann ins Kanzleramt, wo er 1953 zum Amtschef aufstieg. Bald zog der Beamte nicht nur im Kanzleramt die Fäden, sondern auch in der CDU.

So kam es zu einem Wahlkampfdeal mit Willy Brandt, wie die Arte-Autoren berichten: Globke habe Brandt angeboten, ihn nicht wegen seiner Emigration als "Vaterlandsverräter" zu verunglimpfen, im Gegenzug solle der Sozialdemokrat über Globkes Vergangenheit schweigen - nach CIA-Dokumenten willigte Brandt offenbar ein.

Heftige Verhandlungen hinter den Kulissen gab es auch um ein Buch, in welchem 1961 über Globkes Bemühungen berichtet wurde, in den von den Nazis besetzten Gebieten das NS-Recht einzuführen. Besonders heikel aber war für ihn der Eichmann-Prozess in Jerusalem, denn der Angeklagte wollte sich darauf berufen, lediglich Verordnungen befolgt zu haben, die Leute wie Globke formuliert hatten.

Nie öffentlich

In einem 40 Seiten dicken handgeschriebenen Papier richtete er harte Vorwürfe gegen Globke. Sie wurden bislang nie öffentlich, das Papier verschwand. Unterdessen verhandelten die deutsche und die israelische Regierung über Wiedergutmachungszahlungen und Waffenlieferungen.

Erst jetzt, nach mehr als 40 Jahren, entdeckten die TV-Autoren eine Abschrift des Eichmann-Pamphlets im Koblenzer Bundesarchiv - es war dort ganz harmlos unter der Rubrik "alliierte Prozesse" abgelegt.

Bis 1963 war Globke Kanzleramtschef gewesen, danach wollte er sich in der Schweiz zur Ruhe setzen. Doch dort verweigerte man ihm eine Aufenthaltsgenehmigung - wegen seiner braunen Vergangenheit.

Globke starb 1973, für Egon Bahr war er "ein Instrument oder ein Zeichen" in der Regierung Adenauer, die nach dem Ende der NS-Zeit ein Land zu integrieren suchte, in dem es von Alt-Nazis nur so wimmelte.

Der Mann hinter Adenauer: Hans Maria Globke, 8. Oktober, Arte, 21.50 Uhr.

© SZ vom 07.10.2008/jb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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