ARD: Zeit für Frank Plasberg:Die selbstquälerische Suche nach dem Weichei

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Jahrelang hatte er Erfolg im Dritten, nun darf Moderator Plasberg mit "Hart aber fair" ins Erste. Zum Start des TV-Talks entlarvte sich Minister Steinbrück aus der Krisen-SPD.

Hans-Jürgen Jakobs

Da stand er also breitbeinig im TV-Studio, der Mann, dessen Premiere im Ersten Programm Aufmerksamkeit bekommen hatte wie eine Mondlandung, obgleich er sich schon erfolgreich seit Jahren im Dritten Programm des WDR abmüht. Da war - nach all den Frauen im deutschen Talkshowwesen - tatsächlich mal ein männlicher Vertreter im Moderatorengewerbe zu sehen.

Frank Plasberg posiert am 22. Oktober vor dem Logo seiner Sendung "Hart aber fair". (Foto: Foto: dpa)

Frank Plasberg hat am Mittwochabend in der ARD eine ordentliche Runde hingelegt zum Thema: Reformrückwärts in Deutschland (vor allem in der SPD). Dabei hat er soviel von der journalistischen Tugend Schlagfertigkeit bewiesen, dass es doch eine Überraschung war. Vergessen jedenfalls war das Prinzip des Beinüberschlags, mit dem Sabine Christiansen sonntags ihr Publikum jahrelang unterhalten hat.

"Hart aber fair", Plasbergs Plenum, hat mit dem Sprung ins große Hauptabendprogramm des Öffentlich-Rechtlichen zwar 15 Minuten eingebüßt, nicht aber an Schärfe verloren. Diesmal war der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zu Gast, ein entschiedener Verfechter der Agenda 2010 und des Schröderschen Reformkurses, der derzeit in seiner SPD freilich unter Abspielen freundlicher Lieder zur Entsorgung freigegeben ist.

"Immer nur meckern"

Selten hat eine solche TV-Talkshow so sehr die innere Gemütslage eines Ministers offenbart wie "Hart aber fair" an diesem Abend im Falle Steinbrück, dessen Verkrampfung mit Händen zu greifen war. Zum Beispiel, wenn der Politiker mit der in Auflösung befindlichen Restfrisur im Stakkato verfügte: "Es wird besser. Nicht immer nur meckern."

Bei den sozialpopulistischen Gerechtigkeits-Ausführungen von Gregor Gysi konnte Steinbrück kaum an sich halten. Gegen Ende der Veranstaltung entfuhr es ihm erregt, Deutschland müsse alles tun, "um in der Champions League" zu bleiben und könne nicht immer nur verteilen - woraufhin Gysi relativierte, das sei auch nicht seine Position.

Unter Plasbergs Hilfe ergab sich ein Geplänkel über eine mögliche Rot-Rot-Koalition, woraufhin der amtierende Finanzminister schneidig den aktuellen Oppositionspolitiker anfuhr: "Ach ja, so leicht legen Sie sich in die Kiste?"

Solche Dialogfetzen hoben die unterhaltsame Informationsdichte der Sendung, die wie gewohnt mit mehr als einem Dutzend flotter, teils sehr polemischer Einspielfilmchen arbeitet. Einer zeigte eindrucksvoll, was SPD-Chef Kurt Beck vor einem Jahr sagte und was er heute erzählt. Moderator Plasberg wandelte wie ein Dompteur zwischen den Reihen, stets auf der Suche nach der intelligenten Provokation und der konfrontativen Selbstentblößung. Er wurde fündig.

Ingrid Köper-Pape erzählte an diesem Abend von ihrer Not als Arbeitslose und wie schwer es war, einen Job zu finden. Und dass sie nicht mehr SPD wähle. Die Schauspielerin Natalia Wörner, die sich 2005 noch publikumswirksam öffentlich für Gerhard Schröder ausgesprochen hatte, wird womöglich auch nicht mehr die SPD wählen.

Ihren Sitznachbarn Steinbrück bedrängelte sie mit der Frage, warum er sich denn jetzt im Parteivorstand bei der teilweisen Rücknahme der Agenda 2010 enthalten habe und zeigte sich arg unzufrieden, als der Herr Minister von der Aufgabe sprach, dass die SPD nicht immer nur Wähler verlieren dürfe. Steinbrück unterschied zwischen "subjektiven" und "objektiven" Beweggründen und fragte Frau Wörner: "Haben Sie den Eindruck, dass ich ein Weichei bin?" Dabei wirkte er so souverän wie ein Politiker aus einer Partei, die schon lange kaum mehr eine Wahl gewonnen hat.

Zweideutig, und doch eindeutig

Steinbrück und die selbstquälerische Suche nach dem Weichei. Als der Finanzminister schließlich auf Plasberg Schlussfrage nach einem "elften Gebot für Politiker" wahrlich, wenn auch nicht wahrhaftig antwortete: "Du sollst nicht zweideutig sein!", da hielt ihm Natalia Wörner vor: "Das sagen ausgerechnet Sie!" Eindeutiger geht's nicht!

Bei seinem ARD-Debüt hatte Frank Plasberg also das Glück, mit Peer Steinbrück einen intelligenten Gast zu haben, dessen Gereiztheit sich in Wortsalven entlud, die verletzen können, vor allen ihn selbst. Da musste der Gastgeber nicht groß transpirieren, sondern einfach nur locker bleiben. "Ich gehe jetzt gleich", rief der SPD-Politiker einmal scherzeshalber und bekam prompt Plasbergs Antwort: "Wir sind hier doch nicht bei Kerner!"

Das Studiopublikum juxte. So schön kann live sein.

Dieser Moderator verfügt also über eine für das öffentlich-rechtliche Programm unverschämt hohe Portion Humor. Er hat zudem genug Courage, anschwallende Bocksgesänge rasch zu unterbinden und einem Populisten wie Gysi zu sagen: "Noch stelle ich hier die Fragen!"

Der Wechsel kam spät

Über soviel Präsenz verschwammen die inhaltlichen Fehler der Redaktion. Das angeblich nach wie vor hohe Verständnis im Volk für den Streik der Lokführer wurde ebenso wenig erklärt wie die Gefahr durch die Inflation, dessen Rate mit "bis zu drei Prozent" eingeführt wurde, obwohl dies nur der Jahresendwert ist und die 2007-Durchschnittsgröße bei 2,2 Prozent liegt.

Im Detail ist "Hart aber fair" durchaus hart, aber unfair - und lebt vom Effekt, von der großen Geste des Moderators, von der lächelnden Anklage und dem federnden Gang in der erleuchteten Manege. Das schließt gewisse Banalitäten nicht aus, etwa Wortspiele mit dem "kleinen Mann" und dem "großen Mann", die in Zentimetern beantwortet werden.

Trotz solcher Schwächen wurde deutlich, dass der Präsentator von "Hart aber fair" schon viel früher ins Erste hätte wechseln müssen, wenn es in der großen ARD fair zugehen würde. Dass die Sendung ein Konzept hat und nicht einfach nur auf die nächsten Wortwolken warten muss wie manche Talklady, die als quotensicher gilt und deshalb des Programmdirektors hüpfendes Herz erfreut.

"Tschüss", sagte der Debütant, der keiner war am Ende seiner Talkshow. Und Frank Plasberg beschied seinen Gästen, die er aufgerufen hat wie die Schuljungs von der ersten Bank: "War prima." Ja, war prima. Und den Peer Steinbrück, den kann er wieder einladen, auch wenn der irgendwann kein Minister mehr sein sollte.

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