Apples Musikplayer allerorten:Die schlaue Schote

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Bange Fragen in der beschwingten Welt: "Ist die Musik, die ich höre, so gut, wie mein Gerät aussieht? Ist sie es wert, menübeleuchtet zu werden?" Und dann - die schlimmste!: "Was trägt man zum iPod?" Eine Stilkritik von Bernd Graff

Portable Musikplayer sind seit dem Walkman eigentlich keine Pulsbeschleunigung mehr wert. Doch seit dem iPod ist das alles anders. Sein Hype hält an, obwohl es ihn nun schon fast drei Jahre gibt. In U-Bahnen und Fußgängerzonen, auf Schulhöfen und Flughäfen tauchen immer mehr weiße Ohrstöpsel auf. Die Verkaufszahlen explodieren, die beschwingt-bewegte Welt ist besoffen vom iPod. Alle wollen ihn haben, und die, die ihn nicht wollen, haben ihn schon.

Ja doch, das ist noch ein "alter" iPod der "Dritten Generation". Aber er lag da so friedlich. Da haben wir uns gedacht: Den wecken wir jetzt mal nicht - nur wegen der nachwachsenden Generationen. Pfffft. (Foto: Foto: apple)

Nicht nur dem Time-Magazine erscheint er daher "magisch - ein Gerät, das durch bloßen Gebrauch abhängig macht". Newsweek widmete ihm eine ganze Titelgeschichte mit dem Wortspiel: "iPod, therefore I am!" Und die FAZ argwöhnt etwas vertrackt, dass die Musikstücke aus dem Music-Store wohl nur als "Lockvögel für den Verkauf des tragbaren Abspielgerätes dienen sollen." Man hört also weltauf-weltab vom iPod. Darunter natürlich auch die obligatorischen Nörgeleien. Laut britischem Telegraph ist er das "Tamagotchi von Unerwachsenen" , PC-World nennt ihn einen "Digitalmusik-Tolpatsch".

Doch haben die Kritiker wohl nie die geheimnisvoll glühende Menübeleuchtung über dem schockierend weißen Navigationsrad schauen dürfen. Sonst würden sie schweigen.

Und doch ist die andauernde Verehrung auch kurios. Denn technisch hat er sich über die letzten drei Jahre nicht dramatisch weiter entwickelt, obwohl er gerade in der "Vierten Generation" vorgestellt wurde.

Die Popularität des iPods hängt auch nicht damit zusammen, dass er den Klang von Musik revolutioniert hätte - hat er nicht. Sicher, mit den Generationen wächst der Zubehörmarkt, es gibt inzwischen Utensilien, mit denen man selbst unter Wasser ipodden kann.

Natürlich gibt es inzwischen auch Sondereditionen sonder Zahl. Der Autohersteller Jaguar etwa hatte eine (geradezu sakrileghaft hässliche) schwarze Variante im Portfolio. BMW bringt den iPod im internen Audio-System, aber eigentlich nur im Handschuhfach unter. Ein anderer namhafter Hersteller wirbt damit, dass er - haha - sein Auto um den Player herum gebaut habe. Wie Smart.

Bei dem angeblich neuen Ur-Enkel-iPod kann man eigentlich nur eine verlagerte Funktion zum zufälligen Abspielen von Musikstücken, ein leidlich verändertes Steuerrad und eine - endlich! - verlängerte Batterielaufzeit feststellen.

Dramatisch ist das alles nicht.

Er hat weiterhin keine entstellenden Batterietürchen, keine störenden Schrauben oder Produktschildchen - nur diese matte, weiße Oberfläche. Verhübschen kann man das Ding ja auch nicht mehr. Oder vielleicht doch? Genau dort haben die Apple-Hersteller wie immer angesetzt: beim Auftritt. Der iPod hat ja ein derart markantes Äußeres und eine so klare Konzeption, dass ihm jeder die eigene Plattensammlung sofort rückhaltlos überantwortet - in etwa so, wie man vor der Gesundheitsreform einem Chefarzt die eigenen Kinder anvertraut hat. Das bleibt und daran ändert man wenig. Darum gibt es neben den lediglich im Detail getunten Oldies ab jetzt auch noch eine Art Mädchen-Version in Europa zu kaufen: den "Mini" - in fünf verschiedenen Metallic-Farben und noch schlanker. Lippenstiftartiger.

Konzipiert wurde er im kalifornischen Cupertino - wie auch jene "Mac"-Computer, die Umberto Eco einmal als "weiblich" bezeichnet hat, weil sie wenig Ecken und einen lebensbejahenden Hang zur Farbe haben. Und auch sonst wenig Dreck machen.

Annonciert wurde der "Mini" schon vor geraumer Zeit. Und doch kriegt man ihn einen Monat nach seiner Veröffentlichung fast nirgendwo. Überall bereits ausverkauft! "Einige Händler haben ein paar auf Lager," weiß jemand im Nutzerportal macuser.de. "Von Vorbestellern, die ihn jetzt doch nicht mehr möchten. Manche haben ja schon im Januar geordert." Ein anderer weiß: "Minis gibt es noch in einem Dresdner Laden, aber dort nicht im regulären Lager. Erzählt, dass ein Kumpel schon mal da war und daher wüsstet ihr: Es gibt hier Minis!"

Das ganze Gesumms um den iPod - der Name steht übrigens für "intelligente Schote" - scheint inzwischen also ein Selbstläufer zu sein: Aus Freude am Hype zum einen. Und an cleverem Design zum anderen. Denn das Apple-Äußere ist seit je und flächentarifvertraglich auf Verzückung programmiert. Das ist vor allem Jonathan Ive zu danken. Der wurde 1967 in London geboren und steht seit über zwölf Jahren in Diensten von Apple. Er ist dort Vize-Präsident für "Industrial Design" und entfaltet - nach eigenen Angaben - eine "fanatische Sorgfalt jenseits des Offensichtlichen". Ive entscheidet nicht nur über Form und Farben, auch die Materialien sucht er aus. So hat er nicht nur den iPod entworfen, sondern auch so faszinierende Rechner wie den "iMac", den jetzt schon legendären "G4-Cube", das überirdisch schöne "G4 Powerbook" und den endgültigen "G5".

Ive hat Computern, ja dem Digitalen überhaupt, erstmals ein Gesicht gegeben. Er ist als Gestalter der rechnenden Welt so etwas wie der Vater allen Schmachtens. Überdies spricht Ive in sanftem Tonfall, rasiert sich den Schädel und ist der erste Nerd mit Sexappeal und Popstar-Potential: "Der David Beckham des Industriedesign", wie sein Spitzname lautet.Ives Farbe ist weiß. Unbedingt weiß. Ein unbedingtes Weiß. So strahlend und klar und reiner als rein, dass man sich als Besitzer eines seiner Wunder fragt, ob man die guten Stücke nicht durch den Gebrauch unzulässig beschmutzt. Dabei ist sein iPod Teil eines größeren Konzeptes: der iPod ist eigentlich drei. Der Player selber ist nur ein klingender Satellit im urbanen Orbit. Denn bestückt und verwaltet wird er über einen Mac- oder Windows-Computer - von einer Software mit Namen "iTunes", die alles an Registratur-Programmen diesseits deutscher Stadtverwaltungen in den Schatten stellt und Unmengen von Musiktiteln organisiert - sogar die von Pink Floyd. Über diese Software kommt man - drittens - in den "iTunes"-Musikstore im Internet, in dem man (fast alle) Stücke kaufen kann, die der Kollektion noch fehlen. Ives Player verdient das Etikett, das erste authentische Gerät des 21. Jahrhunderts zu sein. Und der iPod wird unsere Rezeption von Musik verändern. Keine Musiksammlung, nicht einmal ein Radiosender wird jemals gegen die stets verfügbare, immer wieder neu und immer individuell zusammen gestellte Hit-Kompilation aus sagen wir: 10000 Lieblingstiteln ankommen können. Soviel fasst er maximal. Das erklärt auch die tiefere Bedeutung der Zufallsfunktion: Wer über vier Wochen ununterbrochen Tag und Nacht am Stück Musik hören könnte, freut sich gewisslich über ein wenig Abwechslung in der Abspielfolge. Für die nächsten vier Wochen. Doch schweben auch über der Musik, die man dem iPod auflädt, bange Fragen: "Ist sie so gut, wie mein Gerät aussieht? Ist sie so bahnbrechend wie Jonathan Ives Geschmack? Ist sie es überhaupt wert, dort hinein gebettet und menübeleuchtet zu werden? Und dann - die schlimmste! "Was trägt man zum iPod?" Die Antwort darauf weiß nur Rainer Langhans.

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