Alle reden vom Wetter - wir auch:... und dann wird es auch wieder früher dunkel

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Deutschland der Großen Koalitionen. Wettermäßig alles wie im Bundestag: Winter und Herbst sind in der Regierung. Die anderen, das waren mal Frühjahr und Sommer, darben in trostloser Opposition. Nur die Pflanzenlobby gedeiht genüsslich glänzend.

Bernd Graff

Ich will Sie ja nicht beunruhigen, aber in 22 Tagen werden die Nächte wieder länger.

Was tut der Mann? Er versucht, die Wetter zu fliehen. Ach, es wird ihm nicht gelingen. (Foto: Foto: dpa)

Dieser lange Herbst, der unser Frühjahr und Sommer ist, hat bis dahin die Herzen verwässert, er unterspült die Seelen und macht sowieso nasse Strümpfe. Schuhwerk, überhaupt Kleidung gegen diese ewige Jahreszeit, diese deutsche Nasszelle, gibt es ja längst nicht mehr. Nicht einmal mehr aus Wachs und Gummi. Alles schimmelt. Nichts trocknet mehr - man fühlt sich an österreichische Campingplätze erinnert, Sie wissen, der Platz neben dem Sanitärbereich.

Es ist furchtbar - den Kindern wachsen Champignons auf den Köpfen - wenig Licht und dampffeucht. Vereinzelt trifft man schon auf Frauen, die ihre Schwimmhäute zwischen den Zehen lackiert tragen. Und Männer quaken und schnalzen mit viel zu langen Zungen auf dem Heimweg vom Büroteich.

Die Republik schwimmt, morastet, dunstet diesig im nie endenden Graugrau des Himmels und der Meere. Berge, wenn es sie noch gibt, sind schon lange nicht mehr gesehen worden. Weil dort, wo etwa mal Alpen waren, nun schlierig-kalte Nebelschwaden wabern. Es ist gänsehäutig, schattig, fröstelnd, es ist grundvermoost, sowieso pilzig. Und der Wind weht mit immer neuen Böen neue Tiefdruckgebiete heran, die schon gar nicht mehr wissen, wohin mit sich. Wo sollen sie sich denn noch stapeln lassen. Dort über den schwarzen Wassern, die einmal Deutschland waren.

Und es regnet. Regnet, dass der Herr erbarm. Doch der wendet sich schnäuzend. Nur, die Pflanzen, die grünen. Und grünen immerzu und schwelgen im Feuchtbiotop - unverdrossen tropfend, giftgrün schleimend. Und sie wuchern und gedeihen und recken sich gegen den Regen, den schlimmen Regen, der dort ist, wo einst unser Wetter war. Und bedenken Sie: Es könnte immer so weiter regnen. Schnürl und Harttropf, senk- wie waagerecht. So sumpfig das Land, so rinnsalig vermoort.

Woodstock fällt wieder ein. Damals haben sie bekifft im Schlamm gelegen und mit Blechtassen gegen den Regen gescheppert. "No rain, no rain, no rain ..." Allein, es half nicht. Doch Woodstock waren nur drei Tage - und wir haben den Herbst. Diesen Jahres-Herbst. der immer weiter geht.

Erinnern Sie sich noch: Wir hatten den Massennass-Schnee, das war gefrorener Regen, nicht allzu lange ist es her, da dominierte Eis noch das sogenannte Frühjahr. Meterhoch - im Thüringischen haben sie sogar Neuschnee bei ebay versteigert. Tja, da wussten sie noch nichts vom anschließenden Regen.

Deutschland steckt eben fest in Zeiten der Großen Koalition. Es ist wettermäßig hier wie im Bundestag: Winter und Herbst sind in der Regierung. Die anderen, das waren mal Frühjahr und Sommer, darben in trostloser Opposition, müssen die Fünfprozenthürde fürchten, können sie kaum nehmen und dann müssen sie auch noch um ihre Fraktionsstärke bangen. Was sollen sie ausrichten gegen dieses ewig dräuende Nass-Regiment, so grauingrau, wie es nun mal ist und immerdar bleibt, und nur die Temperaturen schwanken von Minus ins etwas weniger Minus - Nullwachstum also im Klima, wenn man von diesen diskreten Pflanzenlobbyisten absieht, die das alles ja ganz erträglich finden und genüsslich glänzend vor sich hin gedeihen. Auf dem Trockenen werden sie nicht sitzen, das ist mal sicher.

Und in wenigen Feucht-Tagen beginnt die WM - die heißt jetzt Wasserballmeisterschaft - und nur die deutsche Elf, gut die englische vermutlich auch noch, weiß, wie es ist, auf schwerer Scholle den Ball spielen zu müssen, Klumpen Erdreichs unter den Stollen und jeder Schritt so schwer. Italiener, Brasilianer, Portugiesen werden nicht verstehen, gegen die Fluten anzuspielen, werden sich vielleicht sogar weigern - denn etwa in Frankfurt, da ja hat der Regen schon immer eine besondere Rolle mitgespielt. Mit Walzen hat man ihn mal wegdrücken wollen, mit Walzen!, und ein Dach leckte mal über der Eckfahne. Sage also keiner, dass Deutschland die Welt nicht frühzeitig gewarnt hätte.

Und, gab es nicht mal sogar einen SPD-Vorsitzenden aus dem Brandenburgischen, den man den Deichgraf nannte! "Land unter" hat hier auch mal einem Kanzler zum erneuten Wahlsieg verholfen. Ein Gummistiefel-Sieg über den Konkurrenten aus Bayern, der verständlicherweise, gewiss, sein Haus bei dem Sauwetter nicht verlassen wollte.

Doch, lassen Sie sich das ein Trost sein! In 22 Tagen obsiegt allmählich die Nacht und breitet wieder ihren schwarzen Mantel über das tropfende Grau aus taggrauen Himmeln. Bedeckt silbrigen Asphalt und auch die glitschig-verrinnenden Fassaden. Und dann kommt auch wieder der Schnee und wir werden wieder ein Jahr älter geworden sein, aber Deutschland nicht Weltmeister.

Dass die Sonne schien, dass sie wirklich schien und manchmal über Stunden und dass Hitze brüllte, dass man Pflanzen sogar goss und Erfrischungsgetränke reichte, dass junge Frauen kurze Röcke trugen und Männer Sonnenhüte .... das muss vor meiner Zeit gewesen sein.

Wie lange, genau, dauern noch mal Große Koalitionen?

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