Alfred Neven DuMont:"Alle mussten mit dem Teufel tanzen"

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Verleger Alfred Neven DuMont über die NSDAP-Mitgliedschaft seines Vaters, den Kampf um die Zeitung und den Charakter der Redakteure.

H. W. Kilz

Süddeutsche Zeitung: Herr Neven DuMont, Sie haben den Frankfurter Firmenhistoriker Manfred Pohl vor drei Jahren beauftragt, die Unternehmensgeschichte des Verlagshauses M. DuMont Schauberg vom Ende der 20er Jahre bis zur Nachkriegszeit aufzuarbeiten. Nächste Woche wird das Buch der Öffentlichkeit vorgestellt. Sind Sie mit der Erforschung und Bewertung dieser Vergangenheit zufrieden?

Verleger Neven DuMont: "Es ist schwer, den jüngeren Menschen beizubringen, dass man sich in der Diktatur nicht frei äußern kann. Dann waren Sie dran. Dann waren Sie sofort im Konzentrationslager. Es ging um ihr Leben." (Foto: Foto: ddp)

Alfred Neven DuMont: Ja. Herr Pohl und seine Mitarbeiter haben sich große Mühe gegeben. Zeitzeugen gab es genug, aber die Hauptschwierigkeit war, Unterlagen zu finden, beispielsweise Originalformulierungen von meinem Vater. Ich habe dann zufällig in Spanien, in unserem Haus, ein Tagebuch meines Vaters gefunden. Das war die große Erlösung.

SZ: Ihr Vater Kurt Neven DuMont hat den Verlag während der NS-Diktatur als Familienunternehmen verteidigt und auch gerettet. Ohne Arrangement mit den Nazis wäre das nicht gegangen. War es im Nachhinein richtig, sich anzupassen?

Neven DuMont: Ach, wissen Sie, das ist immer die Grundsatzfrage: Will man die Geschichte historisch aufwickeln, von damals nach vorne, oder will man sie zurückentwickeln. Nachträglich gesehen war es falsch. Aber man muss sich hineinversetzen in die Generation, die dachte, das ist vorübergehend mit den Nazis. Wie kommt es sonst, dass 90 Prozent der deutschen jüdischen Bevölkerung, die ja zum Teil Superdeutsche waren, nicht weggegangen sind? Bis auf wenige, die auch vermögend waren und besonders intelligent oder raus mussten. Aber der Rest ist geblieben. Die haben ausgeharrt und dachten, es wird wieder besser. Sie wollten es nicht wissen und haben sich dann zur Schlachtbank schicken lassen. Es war die Mentalität: Das ist unser Land, der Hitler ist nur vorübergehend, das müssen wir durchstehen. Das war sicher auch über lange Zeit die Verhaltensweise meines Vaters. Mein Großvater ...

SZ: ... der Kommerzienrat Alfred Neven DuMont, zu dessen Zeit die Kölnische Zeitung die Politik Gustav Stresemanns unterstützte ...

Neven DuMont: ... der emotionaler war und deutsch-nationaler, Erster Weltkrieg, all das, der hat darunter so gelitten, dass er schwermütig wurde. Der war ja dann 1940 in der Anstalt, weil er das nicht verstanden hat. Er konnte es nicht mehr verarbeiten.

SZ: Andere Zeitungen waren mutiger im Kampf gegen die Nationalsozialisten, zumindest konsequenter. Die Vossische Zeitung gab schon 1934 den "schmerzlichen, aber folgerichtigen Entschluss" bekannt, das Blatt einzustellen, um glaubwürdig zu bleiben. Auch Berliner Tageblatt und Frankfurter Zeitung stellten sich eindeutiger gegen Hitler. War der rheinische Katholizismus anfälliger für das nationalistische Gedankengut?

Neven DuMont: Ich kann weder für meinen Vater oder Urgroßvater noch Onkel sprechen. Dass bei denen natürlich sehr stark das traditionelle Gefühl war: Das haben wir geerbt, das dürfen wir nicht sinnlos weggeben, ist klar. Sie wollten das Gut der Familie erhalten. Vielleicht hat bei den anderen Häusern die Verbindung von Eigentum, Tradition und Erbe keine solche Rolle gespielt.

SZ: Ihr Vater ist 1933 dem "Stahlhelm" beigetreten, dem Bund der Frontsoldaten, und wurde 1937 Mitglied der NSDAP. Er hat es genau damit begründet: den Familienbesitz zu retten. "War er ein Nazi, oder war er es nicht?", fragt der Historiker Pohl im Vorwort. Wie beurteilt der Sohn den Vater?

Neven DuMont: Da muss ich gegenfragen: Was ist ein Nazi? Wenn Sie sagen, Parteigenosse genügt, dann war er Nazi. Aber 1937, das wissen Sie ganz genau, sind ja alle da reinmarschiert, die überdauern wollten. Sie mussten mit dem Teufel tanzen. Aber das heißt ja nicht, dass man innerlich dabei war. Es ist schwer, den jüngeren Menschen beizubringen, dass man sich in der Diktatur nicht frei äußern kann. Dann waren Sie dran. Dann waren Sie sofort im Konzentrationslager. Es ging um ihr Leben.

SZ: Es gab in der Kölnischen Zeitung eine ganze Reihe von Redakteuren, die überhaupt nichts mit dem Regime zu tun haben wollten.

Neven DuMont: Die waren auch an Sonntagen bei uns zum Tee, spielten im Garten mit uns Kindern. Ich kann nicht genau sagen, ob es 1941 im Herbst oder Anfang 1942 war - ich bin später als Lenbach-Enkel ja mit einem Teil der Familie nach Bayern gegangen. Ich war 14, kam vom Spielen und sah bei uns in der Garderobe lauter Militärmäntel, Offiziersmäntel - es war ein General darunter -, fünf oder sechs, fand ich übrigens sehr schön, die Uniform. Ich steckte aber, weil ich neugierig war, meine Nase in den großen Salon hinein. Mein Vater sagte, komm rein, hau Dich in die Ecke. Über das alles darfst Du nicht reden. Das waren Reserveoffiziere der Kölnischen Zeitung, alles Deutschnationale oder Liberale, im Ersten Weltkrieg Major, Oberstleutnant, die wurden ja wieder eingezogen. Die waren mit dem später berühmten Herrn Stülpnagel gekommen...

SZ: General Carl-Heinrich von Stülpnagel war Militärbefehlshaber in Frankreich, schloss sich dem Widerstand gegen Hitler an und wurde 1944 hingerichtet.

Neven DuMont: Da fiel ein Satz, Anfang 1942, das werde ich nie vergessen: "Um so früher der Krieg verloren ist, umso besser für Deutschland." Das wussten die Herren damals schon. Ich war erschüttert. Bin natürlich sofort zu meinem Vater, und der sagte: "Du hältst den Mund." Das war für mich ungeheuer beeindruckend gewesen. Mein Vater war nie ein Nazi. Aber ich muss auch eine dunkle Geschichte erzählen. Ich bin mal, als Junge ist man doch neugierig, in die Garderobe meines Vaters nach oben gegangen, in den Kleiderschrank. Der hatte so schöne Anzüge. Plötzlich dachte ich, ich sehe nicht recht, da hing eine SA-Uniform, eine Parteiuniform, und zwar etwas, was es sonst gar nicht gab, vom Schneider, vom Feinsten. Habe ich mir angeschaut und gedacht, warum hat der Vater die noch nie angehabt. Da habe ich ihn natürlich darauf angesprochen, dann hätte ich beinahe eine Ohrfeige bekommen. "Das geht Dich gar nichts an." Ich habe ihn nie damit gesehen.

SZ: Sie waren damals 14 oder 15 Jahre alt. Mussten Sie nicht zur Hitler-Jugend?

Neven DuMont: Ich war nie Hitlerjunge, ich war nur in der Pflicht-HJ. Viele wissen gar nicht, was das eigentlich war. Ich war viel mit Kindern von Kommunisten zusammen, von Sozialdemokraten und Katholiken, strengen Katholiken, und einigen wenigen Liberalen. Die meisten waren Kommunisten. Deshalb habe ich mein Leben lang zu diesen Leuten mehr Vertrauen gehabt als zu vielen Bürgerlichen. Ich hatte als Kind einen wahnsinnig feinen Geruchssinn. Habe ich leider immer noch. Das ist belastend sogar. Die Farbe Braun, diese Art von Braun, es war mir alles ästhetisch unangenehm. Dann immer diese Aufmärsche schon als Jungvolk und später als Pflicht-HJ. Der Schweiß. Ich war sehr ästhetisch.

SZ: Roch es nach Schweiß?

Neven DuMont: Ja, und ungepflegt. Es war das Gegenteil von nobel. Es war sehr proletarisch. Dieser Kommandostil, das hat mich als Kind abgestoßen. Das war eben in unserem Haus anders.

SZ: Manfred Pohl bewertet die einzelnen Lebensphasen Ihres Vaters sehr unterschiedlich: In der Weimarer Republik "ein liberaler Geist", von 1933 bis 1937 "ein verzweifelter und zerrissener Charakter" und bis 1945 dann "ein resignierter Mitläufer". Wird ihm das gerecht?

Neven DuMont: Das würde ich sagen. Genauso ist es.

SZ: Die Frankfurter Zeitung hat noch 1932 zu den Reichstagswahlen die Bevölkerung aufgerufen: "Es geht gegen Hitler! Keiner darf fehlen!" Die Kölnische Zeitung dagegen trat dafür ein, die NSDAP an der Regierung zu beteiligen. Sie liebäugelte auch mit der "Harzburger Front". Pohl sagt: "Sie gab sich Illusionen hin."

Neven DuMont: Genauso ist es. Man glaubte, wenn man Hitler von der Straße holt, dass er dann gewisse Verantwortung fühlt. Das war eine Illusion.

SZ: Ihr Großvater war als Repräsentant der Zeitungsverleger auch bei Goebbels. Er trat von seinem Amt zurück, nachdem die Presse gleichgeschaltet worden war. War der Großvater konsequenter als der Vater?

Neven DuMont: Ich würde sagen, älter, genervter, emotionaler. Er hat sich in Redaktionskonferenzen gehen lassen, hat über die Nazis herumgeschimpft. Sie hatten Angst, dass ihn jemand anzeigt. Er hat dann die Nerven verloren. Aber ich habe ihn als Kind oft besucht in dieser Anstalt, es war keine geschlossene, aber er war dort über mehrere Monate, weil er so depressiv war. Er wurde mal unter dem Klavier entdeckt. Er verstand die Welt nicht mehr.

SZ: Goebbels spottete, er könne auch nichts dafür, "wenn die Zeitungen, die früher gegen die nationalsozialistische Bewegung Sturm gelaufen sind, heute päpstlicher sein wollen als der Papst. Wir zwingen sie doch nicht zur Charakterlosigkeit". Wurden solche infamen Reden im Familienkreis thematisiert?

Neven DuMont: Nein.

SZ: Pohl kommt zu einem harten Urteil über die Rolle Ihres Vaters als Verleger: "Die Kölnische Zeitung trug nicht unwesentlich dazu bei, dass ihre Bürgerkultur in eine Untertanenkultur überging." Schmerzt eine solche Firmengeschichte?

Neven DuMont: Mich schmerzt der ganze Nazi-Horror. Ich war 18, als der Spuk vorbei war. Wir haben gedacht, das dauert vielleicht so 20, 30 Jahre, und dann ist es vorbei. Mein ganzes Leben, jetzt bin ich über 80, begleitet mich dieser Schatten. Keinem meiner Vorfahren oder Familienangehörigen kann man vorwerfen, dass er in irgendeiner Weise eine kriminelle Tätigkeit mit beeinflusst hat.

SZ: Das Verlagshaus Bertelsmann hat seine Geschichte aufarbeiten lassen, ebenso gibt es jetzt ein Buch über Georg von Holtzbrinck, der NSDAP-Mitglied war wie Ihr Vater. Beide Unternehmen müssen auf ihr Amerika-Geschäft achten. Bei Neven DuMont waren es Grundstückskäufe Ihrer Mutter in Köln, die Ihnen den Verdacht einbrachten, NS-belastet zu sein. Man warf Ihnen vor, von der Arisierung profitiert zu haben.

Neven DuMont: Da habe ich mich ziemlich aufgeregt. Wenn ich selbst angegriffen werde, ist das okay, aber wenn jetzt meine verstorbenen Eltern angegriffen werden, das fand ich nicht gut.

SZ: Ihre Mutter Gabriele hat 1941 Grundstücke von jüdischen Mitbürgern erworben, die Deutschland verlassen mussten.

Neven DuMont: Zum Teil nach Jahren indirekt über Gerling.

SZ: "Weshalb die Familie DuMont sich bei aller damals gebotenen Vorsicht und allen nachgewiesenen Einsätzen zugunsten von Benachteiligten und Bedrohten auf diese Grundstücksgeschäfte einließ, wird wohl ein Rätsel bleiben."

Neven DuMont: Das ist es überhaupt nicht. Wir hatten in Köln ein sehr schönes Haus und ein schönes Grundstück auf der Marienburger Straße/Goethestraße. Um die Ecke war unser Nachbargrundstück, dieses in der Leyboldstraße. Und meine Eltern hatten natürlich dieses Grundstück gerne als Erweiterung gesehen und haben das erworben. Nach dem Krieg haben sie sich mit den Erben zusammengesetzt und haben freiwillig - es gab keinen Prozess, keinen Anspruch oder keine Wiedergutmachung - gesagt, wir zahlen etwas oben drauf. Damit war die Sache aus der Welt.

SZ: Die Grundstücke in der Breiten Straße, wo das Verlagshaus stand, waren besonders begehrt.

Neven DuMont: Das war eine sinnvolle Erweiterung für den Betrieb. Kein Unternehmer lässt sich das durch die Lappen gehen. Warum meine Mutter da eingesprungen ist, das habe ich nie erfahren. Meine Eltern hatten immer Angst, dass meinem Vater plötzlich sein Vermögen beschlagnahmt wird und dass meine Mutter vielleicht heil davonkommt.

SZ: Spätestens 1934 war es mit der Freiheit der Presse endgültig vorbei. Es gab nur drei Möglichkeiten:Entweder die Zeitung einzustellen wie die Vossische Zeitung, aus dem Verlag auszuscheiden wie die jüdischen Verleger der Frankfurter Zeitung oder sich anzupassen wie die Kölnische Zeitung. Glauben Sie denn, Sie hätten nach dem Krieg die Lizenz nicht wieder gekriegt? Oder war Ihr Vater politisch naiv?

Neven DuMont: Überhaupt nicht. Schon 1934 oder 1935 wurde den Verlegern jeder Einfluss auf die Redaktion verboten, vom Staat her. Er war höchstens durch freundschaftliche Beziehungen mit den Redakteuren, die er natürlich nach wie vor berufen konnte, verbunden.

SZ: Wie es in ihm aussah, hat er seinem Tagebuch anvertraut. Im März 1933 schrieb er: "Es ist eine sorgenvolle Zeit, die schwerste in meinem Leben bisher. Die NSDAP hat jetzt die Hand an unserer Gurgel."

Neven DuMont: Nicht gerade sehr liebenswürdig.

SZ: Es gab nach dem Krieg zahlreiche Weggefährten, die Ihrem Vater bescheinigt haben, kein Nazi gewesen zu sein. Er brauchte diese Geständnisse für sein Entnazifizierungsverfahren und die spätere Lizenz. Warum haben ihn die Alliierten letztlich doch so lange hingehalten, bis sie ihn endlich 1948 vom "Mitläufer"zum "Entlasteten" heruntergestuft haben?

Neven DuMont: Das vermag ich nicht zu sagen. Das war natürlich auch Verwaltungskram. Da gab es verschiedene Instanzen. Die Entnazifizierung hatte nicht unmittelbar etwas mit der Lizenzvergabe der Alliierten zu tun. Die Amerikaner haben das anders gemacht als die Engländer. Es war ja besonders lustig, dass da ein Kommunist, ein Sozialdemokrat und ein Liberaler eine Zeitung herausgeben sollten. Sehr gemütlich, die Vielfalt.

SZ: Mit diesem Modell hat die Süddeutsche lange gut gelebt. Sie sind einer der letzten großen Verleger, die Zeitungen im Familienbesitz haben. Die Pressefreiheit war umkämpft, seit es Ihr Zeitungshaus gibt, von Napoleon bis Hitler. Heute gibt es Anfechtungen ganz anderer Art, seien es kommerzielle Zwänge oder die Konkurrenz des Internets.

Neven DuMont: Mein Leben war halt weitgehend Zeitung. Ich liebe Zeitung. Und wie kann man eine Liebe im Alter mit seiner Garderobe oder mit seiner Krawatte abgeben? Deshalb habe ich das noch mit der Frankfurter Rundschau gemacht, auch mit Haaretz in Israel, und jetzt auch mit der Berliner Zeitung. Weil es mich juckt.

SZ: Die Branche staunt über das viele Geld, das Sie investieren. Haben Sie auch privates Geld jetzt genommen?

Neven DuMont: Auf die Frage werde ich nicht eingehen. Ich habe lange mit mir gerungen. Ich habe einen Sohn und meinen Neffen, die gerne nach vorne marschieren wollten. Wir müssen uns auf schlimme Zeiten einstellen. Wie schlimm sie werden, wissen wir nicht. Die Weltwirtschaftskrise haut bei uns natürlich rein. Die Zeitungskrise kommt hinzu. Jetzt große Löcher auftun mit Riesendarlehen? Unsere finanzielle Belastung bleibt überschaubar.

SZ: Als Nicolaus DuMont 1802 die Kölnische Zeitung erworben hat, da konnten etwa zehn Prozent der Bevölkerung lesen. Heute besteht die Gefahr, dass bald nur noch zehn Prozent der Bevölkerung eine Zeitung lesen. Aber Sie glauben an die Zukunft der Zeitung?

Neven DuMont: Ich glaube, wir werden in der Zukunft zurückschrumpfen als Zeitung, langfristig. Wir werden uns zum Teil elitär zurückentwickeln in unseren Zeitungen. Wir müssen besser werden, teurer werden.

SZ: Ein Informationsmedium für die Elite, für eine kleine Gruppe der Gesellschaft?

Neven DuMont: Sagen wir mal so: eine kleinere. Die Informationsgesellschaft im Gegensatz zur Konsumgesellschaft. Das Wort Elite darf ja in Deutschland nicht ausgesprochen werden. Nur hinter verschlossenen Türen, sonst macht man sich verdächtig.

SZ: Bei uns in der Zeitung schon.

Neven DuMont: Müntefering wird Sie nicht mehr grüßen. Eine ganz schlimme Bestrafung.

SZ: Ihre Zeitungskäufe lassen vermuten, dass Sie sich - wie einst mit der Kölnischen Zeitung - wieder eine überregional bedeutende Zeitung zulegen wollen.

Neven DuMont: Ja, aber vorsichtig, step by step. Ich will nicht, dass es laut wird, denn ich will nicht angeben, wie andere vor mir. Natürlich würde ich mich freuen, wenn à la longue die Berliner Zeitung so etwas brächte.

SZ: Die Kölnische Zeitung war, wie alle großen Blätter der Weimarer Zeit, einer politischen Richtung verpflichtet. Sind Zeitungen heute zu wenig entschieden? Kämpfen Sie zu wenig für ihre Überzeugung?

Neven DuMont: Nach 1969, als es sehr nach links tendierte, habe ich oft gebeten: Kinder, geht nicht zu weit! Aber jetzt sehe ich mich seit Jahr und Tag eher dabei zu sagen: Traut Euch! Ich glaube schon, die Zeitungen könnten wieder etwas mutiger sein. Selbst die Süddeutsche Zeitung, Herr Chefredakteur. Aber das wollen Sie sicher nicht drucken.

SZ: Warum nicht? Das wird meine Redaktion als Ausweis der inneren Pressefreiheit bei der Süddeutschen Zeitung werten. Zeitungen haben heute alle Freiheiten, die sie zwischen 1933 und 1945 nicht hatten. Was brauchen sie in Zukunft, um sich unentbehrlich zu machen?

Neven DuMont: Charakter. Wenn Sie unsere Öffentlichkeit anschauen - von den Bischöfen bis zur Politik, Unternehmer, Gewerkschaften -, es ist eigentlich mehr ein ineinander übergehender Einheitsbrei. Ich will nicht gerade sagen charakterlos, das klingt vielleicht ein bisschen wild, aber charakterarm, profilarm. Die Menschen wollen, das darf man wieder nicht laut sagen, nicht so viel denken, aber sie möchten gerne, dass jemand ihnen was vorlebt. Zeitungen mit Charakter, mit Profil, können ein toller Begleiter sein - und auch mal Ärgernis.

SZ: Wie sehen Sie die Entwicklung, wenn angestellte Manager bei Zeitungen den klassischen Verleger ablösen und nur noch auf Controller hören, die mehr bremsen als beflügeln?

Neven DuMont: Wissen Sie, ich stehe auf der anderen Seite. Früher habe ich von der Redaktion immer sehr viel Widerspruch bekommen. Heute stelle ich erschreckend fest, dass die alle so nett zu mir sind. Da stimmt was nicht. Entweder bin ich zu lasch geworden, oder was ist mit denen los? Ich vermisse was.

SZ: Den Widerspruch?

Neven DuMont: Den Kampf. Noch ist der Alte da, ist vielleicht besser so. Wer weiß, was alles kommt. Zeitungen sind keine normalen Unternehmen. Das ist etwas ganz, ganz anderes. Deshalb ist es ja auch so gefährlich, wenn man fremde Manager aus anderen Geschäftsfeldern hereinimmt. Das ist gar kein Zweifel.

© SZ vom 14.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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