Ärger im Springer-Verlag:"Enorme Fehler"

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Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Verlags, Mathias Döpfner, streitet mit seinem Vorvorgänger - in der FAZ und vor Gericht. Eine Schlammschlacht, wie sie Bild gefallen würde - ginge es nicht um den eigenen Verlag.

Hans-Jürgen Jakobs

Das Interview war lang, manche sagen auch länglich. Und doch überraschte gleich in der ersten Antwort des Springer-Chefs Mathias Döpfner eine Verbalattacke gegen seinen Vorvorgänger Jürgen Richter.

Verbalattacke gegen seinen Vorvorgänger: der "Sprachwahrer des Jahres 2004", Mathias Döpfner. (Foto: Foto: dpa)

Da breitete Döpfner coram publico aus, dass Richter mit einer Kritik die rechtliche Grenze "klar" überschritten und deswegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe.

Zwei Pressegrößen im Nahkampf, fast ein Thema für Bild, Springers Flaggschiff. Das Pikante: Döpfners Schelte war am Freitag vergangener Woche im gleichen Blatt zu lesen, in dem auch Experte Richter die Vorgänge im Verlag Axel Springer ungeschminkt analysiert hatte - in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Dort war am 12. Juni ein Interview erschienen, in dem Richter die Investitionen des Verlags in den inzwischen insolventen Postdienstleister Pin sowie "überteuerte Akquisitionen von über einer Milliarde Euro" im Jahr 2007 monierte - und sie im engen Zusammenhang mit "den damals anstehenden" Aktien-Verkäufen der Aktionäre Döpfner sowie der Finanzfirma Hellman & Friedman sah.

"Pin war Teil der bewusst betriebenen Börsen-Story. Das hat schließlich funktioniert ...", befand Richter, 66, der heute als Professor an der Hamburger Musikhochschule wirkt.

Genau diesem Eindruck, Springer habe sich strategisch gewissermaßen ein wenig Börsen-Botox gespritzt, tritt Döpfner mit der ihm eigenen Entschiedenheit entgegen. "Ich muss das in aller Form zurückweisen", erklärt der 45-Jährige: "Richters Darstellung ist schlicht falsch."

In seinem Haus heißt es, Döpfner habe ja bereits im Dezember 2006 einen Teil seiner Aktien verkauft - lange bevor Springer seinen Pin-Anteil von 23,5 Prozent auf 71,6 Prozent aufstockte.

Nach Erscheinen des von Döpfner kritisierten Interviews drang Springer nach eigener Erklärung auf eine Richtigstellung in der FAZ. Dort aber wehrte man sich offenbar und wollte nicht für jeden Satz eines Interviewpartners verantwortlich sein; dann wäre es mit der Meinungsfreiheit schnell vorbei.

Der Fall erinnert an die Aufregung rund um ein Interview des Journalisten Roger Willemsen in der Saarbrücker Zeitung, in dem er Erstaunliches über Focus, das Blatt des Chefredakteurs Helmut Markwort, berichtete: Willemsen war aufgefallen, dass Focus ein Gespräch mit Ernst Jünger abdruckte, das in Teilen zwei Jahre vorher im Burda-Schwesterorgan Bunte erschienen war.

Weil die Parallele nach dem Urteil des Hamburger Landgerichts nicht richtig beschrieben war, wurde die Saarbrücker Zeitung zur Unterlassungserklärung verpflichtet; sie sei wegen der "Verbreiterhaftung" in der presserechtlichen Verantwortung. Das Münchner Oberlandesgericht wiederum hatte in einem Verfahren mit der FAZ geurteilt, dass Verleger bei Abdruck eines Interviews nur eine "eingeschränkte Prüfungspflicht" hätten.

In Sachen "Richtigstellung" kam es im Fall Döpfner/Richter nun - drei Wochen später - zum Großgespräch im Wirtschaftsteil der FAZ. "In diesem Rahmen wurde das Problem gelöst", sagt Springer-Sprecherin Edda Fels. Diese Lösung brauchte etwas Zeit, was auf Debatten unter den fünf FAZ-Herausgebern schließen lässt. Auch gab die FAZ eine Unterlassungserklärung ab; in der aktuellen Online-Version des Richter-Interviews fehlt die heikle Stelle.

Interessant ist, dass die FAZ selbst am 5. Dezember 2006 "Jubelmeldungen" aus dem Hause Springer kritisiert hatte. Ausführlich wurde dabei ein Zusammenhang zwischen Springers Kauf von TV-Anteilen in Polen und dem Verkauf von Aktien durch Döpfner sowie Hellman & Friedman hergestellt: "Fragwürdig wird das Trommeln in eigener Sache dadurch, dass Döpfner davon auch als Privatmann profitiert. Er gibt seine Aktien zu einem hohen Kurs ab, um sie über eine Aktienoption billig zurückzukaufen."

Eine Stellungnahme der FAZ war nicht zu erhalten. Springer-Kritiker Richter lässt sich vom Hamburger Anwalt Matthias Prinz vertreten. Dessen Kanzlei ist überzeugt, dass die Äußerung ihres Mandanten durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sei.

Richter habe ja nicht auf die Aufstockung der Pin-Beteiligung im Jahr 2007 abgestellt, sondern überhaupt auf das Investment in Postdienstleistungen. Er wolle sich aber nicht streiten und habe deshalb - "ohne Präjudiz" - die Unterlassungserklärung abgegeben.

Womöglich ist der Fall aber nicht zu Ende. Springer überlegt, so Sprecherin Fels, von Richter Widerruf zu verlangen. Unbeschadet hat ein Urteil Richters über den Verlag das Procedere überstanden: "Es sind enorme Fehler gemacht worden."

© SZ vom 09.07.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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