Abenteuer:Schlangen und Schlingen

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Vier Kinder, Opfer eines Flugzeugabsturzes, versuchen im brasilianischen Urwald zu überleben und treffen auf einen verschollenen Abenteurer.

Von SIGGI SEUSS

Katherine Rundells Roman "Mitten im Dschungel" beginnt mit einem Paukenschlag. So wie es einer ordentlichen Robinsonade gebührt. Vier Kinder und der Pilot sitzen in einem kleinen Flugzeug, das sie nach Manaus bringen soll. Der Pilot stirbt unterwegs. Das Flugzeug stürzt ab. Mitten im Dschungel. Die Kinder überleben mit einigen Blessuren. Überwinden den ersten Schock. Und machen sich auf den Weg nach - ja, wohin?

In eine Robinsonade, in der sich Fred, Con, Lila - alle um die zwölf Jahre alt - und Lilas fünfjähriger Bruder Max mühsam, aber beständig in Richtung Zivilisation bewegen? In eine Tragödie, die, wie bei William Goldings "Herr der Fliegen", den Überlebenskampf mit der Natur und sich selbst in den Vordergrund rückt und in der sich unerwartet dunkle Seiten offenbaren? Zu einer menschenfreundlich altmodischen Erzählung im Stile von Eva Ibbotson? Oder zu einem der ungezählten Dschungelabenteuer, in dem die Helden von einem glücklichen Zufall zum nächsten irren und am Ende auf wundersame Weise gerettet werden?

Das, was bei Katherine Rundell mit einem Paukenschlag beginnt, entwickelt sich nicht zu einer tiefgründigen Überlebensgeschichte. Die junge britische Autorin wirft dem Grüppchen verlorener Kinder zwar allerlei Schlingpflanzen, Getier und lebensgefährliche Situationen um die Beine. Sie würzt die Handlung zudem mit einer unerwarteten Begegnung: Die vier entdecken die Ruinen einer alten indigenen Siedlung, die von einem kauzigen Briten bewohnt wird. Der "Abenteurer", wie sie ihn nennen, hat der Zivilisation Lebewohl gesagt und sich im Dschungel eingenistet. Jetzt verteidigt er das Refugium mit Zähnen und Klauen. Am Ende gelingt es ihm, den Kindern den Schwur abzunehmen, das Geheimnis nicht zu verraten.

Deren langsame Einsicht in die Philosophie des Abenteurers ist eine der beiden moralischen Leitlinien des Romans. Die zweite: in den Kindern durch immer wieder neue Herausforderungen die Erkenntnis reifen zu lassen, dass mit der Courage, Dinge in die Hand zu nehmen, auch das Selbstvertrauen wächst. Leider wird dieses Konstruktionsprinzip des Romans immer wieder sichtbar. Zudem stören künstlich wirkende Dialoge und hölzerne Zustandsbeschreibungen den Erzählfluss, wie etwa: "Lila biss auf einen Zopf. Ihr Kiefer war ängstlich verkrampft, aber ihr Blick war entschlossen." Vielleicht hätten Übersetzer Henning Ahrens und das Lektorat durch mehr Mut zum eigenen Wort etwas mehr Pfiff in die Erzählung bringen können. So aber kann man sich bei der Lektüre ein gelegentliches Gähnen nicht verkneifen.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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