Abbas Original-Video zu "Dancing Queen":Das Freitagabend-Glück

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Unser Autor, Abba-Fan seit seiner Jugend, suchte lange im Netz und hat nun endlich das Originalvideo zu "Dancing Queen" gefunden: Der Clip fängt die siebziger Jahre in wenigen Sekunden ein.

Holger Liebs

Die Erinnerung ist flatterhaft. Manchmal verdichtet sie ein ganzes Jahrzehnt zu wenigen Augenblicken, und diese bleiben dann haften für immer, vergrößern sich wie unterm Brennglas zu Symbolen, in denen mehr eingekapselt ist als nur diese paar Sekunden, nämlich die Hoffnungen und Sehnsüchte einer ganzen Generation.

Der Bildregisseur muss das damals, 1976, gewusst haben, als er beschloss, erst die ihr Haar schüttelnde Frida (2:56, 3:19) und dann beide Sängerinnen in Abbas Originalvideo zu "Dancing Queen" (3:30) in Zeitlupe zu zeigen. "Feel the beat from the tambourine, oh yeah ..."

Man muss das nicht unbedingt verstehen, als, sagen wir mal, damals Zehnjähriger, um es zu begreifen, dass es hier, in diesen Bildern, in diesem Song um nicht mehr und nicht weniger als um "having the time of your life" geht. Es gibt viele Videovarianten von "Dancing Queen", von Fernsehauftritten der Band beispielsweise oder vom selben Video, nur eben auf andere Weise collagiert. Doch nur das komplette Originalvideo vermittelt das Lebensgefühl von damals auf vollendete Weise.

Einerseits ist es aus heutiger Sicht anrührend, wie simpel gestrickt dieses Video ist, wie wenig Aufwand betrieben wird um eine schon damals weltberühmte Band: ein mittelgroßer Club, ein paar bestellte Zuschauer, die so zeittypisch wie ungelenk mit den Hüften wackeln, Backfische und ältere Damen unter ihnen, und dann, in selten benutzten dunkelvioletten Kostümen, die Band auf der Bühne, mit für heutige Verhältnisse sparsamen, fast kargen Gesten.

Und dennoch. Der Song, wahrscheinlich Abbas bekanntester, hat sich einer ganzen Generation von Jugendlichen unauslöschlich eingebrannt, angefangen bei, der Regisseur muss auch das geahnt haben, dem blitzschlagartigen Glissando-Intro, fortgesetzt mit dem ungewöhnlichen Kniff, den Refrain an den Anfang und damit erst einmal ein Ausrufezeichen zu setzen - und gekrönt von der glamourös verpackten Geschichte vom ganz normalen Mädchen, das zur Tanzkönigin werden darf.

"And then you get the chance ...": Mit dem Song ist Abba so etwas wie ein Verprechen auf universale Teilhabe am Glamour gelungen - einfach weil er eine Projektionsfläche für die überall aufzufindende Sehnsucht nach dem Freitagabend-Glück ist, das möglicherweise schon in der Dorfdisco wartet, beim stampfenden Disco-Rhythmus. "Dancing Queen" liefert natürlich ein Szenario, das zwar heute noch in den TV-Casting-Shows zu Tode geritten wird, dessen Ursprünge aber eben in den späten siebziger Jahren liegen.

Unsere Traumfängerinnen

Von daher machen dann aber auch das eher unglamouröse Club-Ambiente und die vergleichweise unspektakuläre, kaum abgegrenzte und nur leicht erhöhte Bühne wieder Sinn - weil man sich darin, dem Aschenbrödel-Thema des Songs entsprechend, eher wiedererkennt. Wie ja auch in den Karohemden mit den gerade flügge werdenden Kragen, in den fliegenden Rundschnitten der Tänzer vor und auf der Bühne. Die man bei Jungs damals ja auch Prinz-Eisenherz-Frisuren genannt hat. "Anybody could be that guy ..." oder "See that girl, watch that scene ..." - Die ausgestreckten Zeigefinger von Agnetha und Frida weisen nicht umsonst ins Publikum.

Das Größte aber ist am Ende, dass Agnetha und Frida selbst so offensichtlich Spaß haben an diesem Lied, dass sie, wie man so schön sagt, richtig abgehen, sich gehenlassen, eins werden mit dem Flow des Songs, selbst die Tanzköniginnen sind. Momente, die durch die Zeitlupe eingefangen und damit gedehnt werden, so dass man in ihnen auf einmal so etwas wie ein Glücksversprechen zu erkennen glaubt, für das Agnetha und in "Dancing Queen" vor allem Frida einstehen (Ist das nicht der alte Streit? Welche von ihnen man lieber mag?). Die beiden werden in diesen Augenblicken zu unseren Traumfängerinnen. Ein Traum, klar. Aber ein besonders schöner.

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