Kurzkritik:Im Raumnichts

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Tanzwerkstatt Europa: Jefta van Dinther in der Muffathalle

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Walter Heun hat mit den Jahren etliche Künstler um sich geschart, die er regelmäßig ins Tanzquartier Wien und danach zur Tanzwerkstatt Europa einlädt. Das garantiert ihm, dass von Anfang an ein großer Teil seines Programms ohne weitere große Anstrengungen steht. Der Zuschauer profitiert insofern, als er die Möglichkeit bekommt, die Entwicklung eines Choreografen kontinuierlich zu verfolgen. Jefta van Dinther, zum Beispiel.

Der Schwede mit dem biblischen Namen schafft Suggestives durch das Skurrile. In seinem jüngsten Stück "As It Empties out", einem einstündigen Laut-, Licht und Bewegungspoem, verläppern, wie der Titel schon sagt, drei völlig verschiedene Szenen, indem sie sich in ihrer irren Repetitivität einfach totlaufen. Zunächst beherrscht der Performer Roger Sala Reyner auf Kothurnen die Szene. Er lallt monoton vor sich hin. Anfangs macht man im Silbensalat noch richtige Wörter aus. "Give yourself"? - oder "kiff yourself"? oder "kill yourself"? Hat Reyner ein Tütchen geraucht, auf dass sich seine Lautmalerei immer stärker zu einer melodiösen Tonfolge füge? Sein Singsang wird lauter, ein schwarzer Vorhang gibt zunächst nur Tänzerfüße und schichtweise fünf Tänzerinnen und Tänzer im ganzen frei für so etwas wie ein strukturalistisches Bilderrätsel, das durch einen Blackout verlischt.

Nun schlägt Lichtfrau Minna Tiikakainen surreale Infrarotlicht-Nebel ins wattige Raumnichts, in dem fünf menschliche Torsi additiv zu akustischem Dieselmaschinenstampfen aufscheinen und ein ballet méchanique in ewig gleichem Rhythmus und identisch schaufelnder Bewegungsfolge aufführen. Den mechanischen Körpermaschinentanz konterkariert Diven-Pathos als Monolog aus dem Off als Stimme einer auf Tina Turner frisierten Venus im Pelz: Sie beschwört das Mysterium Theater als Mischung von der Anverwandlungskunst des Schauspielers und dem Mitgefühl des Zuschauers. Bei Jefta van Dinther aber dominiert der rhythmisch bewegte Körper in diffuser Materie. Man schaut gelangweilt. Man schaut gespannt. Man staunt.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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