Unikliniken:Heilung vor Profit

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Aus dem Anspruch auf Gesundheit hat die Politik einen Markt gemacht, in dem sich alles nur noch um den Profit dreht. Solange sich daran nichts ändert und kein neuer Geist herrscht, hilft auch kein Herumdoktern an Symptomen.

"Chronisch krank" vom 3./4./5. Juni:

Als Organisationsberater weiß man, dass veränderte Strukturen und Führungsformen viel bewirken können. So wenig aber, wie man ein krankes Auge durch einen schönen Lidstrich heilen kann, lässt sich eine Organisation durch Struktur- und Führungskosmetik verbessern, wenn sie insgesamt krank ist, das heißt Aufgabe und Ziel nicht mehr stimmen! Wie soll "spirit" in ein System kommen, das "immer stärker auf Effizienz und Erlöse hin ausgerichtet wird" - die Kollegin hätte das auch einfach "Profit" nennen können!

Die Diagnose ist also deutlich: Als vor mehr als zwanzig Jahren das deutsche Gesundheitswesen politisch in seiner Aufgabe und seinen Zielen umdefiniert wurde, hat man aus dem Anspruch aller Menschen auf Gesundheit einen Markt gemacht und damit die organisierte Verantwortungslosigkeit mit dem Ziel der Profitgenerierung eingeführt. Gesundheit und Heilung kosten Geld, das aus der gesellschaftlichen Wertschöpfung für alle, aber eben nicht marktmäßig erwirtschaftet werden muss. Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind damit ja nicht ausgeschaltet! "Strukturelle Unterfinanzierung" gibt es strukturell nur, wenn man das System marktmäßig denkt. Lässt man den Anspruch auf Gesundheit für alle Menschen systematisch fallen, werden Heilung und die Patienten zur käuflichen Ware, und die dort tätigen helfenden und pflegenden Menschen werden zu Produktionsfaktoren, an denen man dann Effizienzschrauben anbringen kann. Ziele und Struktur sind seither nicht mehr darauf gerichtet, Heilung zu schaffen, sondern Profit zu erwirtschaften. Wie man sieht, wird das eigentlich dahinterliegende Ziel, nämlich die Kapitalrendite zu steigern, im Bereich der Pharma- und Gesundheitsprodukteindustrie und in den kommerziellen Klinken schon ganz hervorragend erreicht. Die Universitätskliniken, weil sie dummerweise noch andere als Profitziele verfolgen müssen, z.B. heilende und pflegende Menschen ausbilden, zeigen in diesem System aber Krankheitserscheinungen und das Symptom, das jetzt behandelt werden soll, ist Führung und Struktur. Sicher liegt da vieles im Argen, aber sie sind nicht die wirkliche Ursache für ihre mangelnde Attraktivität als Arbeitsplatz. Das Gefühl, dass die Arbeit mit Menschen und für Menschen eine andere Qualität haben sollte als die Herstellung verkäuflicher Ware, ist ja offenbar noch vorhanden, aber die Ursachenblindheit eben auch.

Ob der Geist in dieses System je wieder einziehen wird, oder ob man weiter an den Symptomen herumdoktert und die chronische Krankheit perpetuiert? Dass mit der geplanten Symptombehandlung wenigstens wir Organisationsberater unsere Wertschöpfung verbessern können, ist für Patienten und Klinikmitarbeitende kein wirklicher Trost!

Dr. Gerhard Herz, Gröbenzell

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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