Stephan Braunfels:Das Pech der Architekten

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Was für den einen eine Episode verletzter Eitelkeiten darstellt, bedeutet für den Architekten-Nachwuchs eine Behinderung in der freien Berufsausübung.

"Zur Klage der Nation" vom 22. Februar:

Falscher Ehrgeiz

Was Gerhard Matzig im Fall Braunfels als eine Episode verletzter Eitelkeiten darstellt, bedeutet für den Großteil der nachwachsenden Architekten die weitgehende Behinderung in der freien Berufsausübung und in der aktiven gesellschaftlichen Teilhabe. Die aktuell praktizierten Auswahlverfahren sind eine Zumutung, weil:

sie einen enormen und völlig unverhältnismäßigen, unproduktiven Verwaltungsaufwand erzeugen.

sie den beruflichen Werdegang des Nachwuchses massiv behindern.

sie die Architekturszene dramatisch ausdünnen und die Entwicklung von Großbüros stark befördern.

die freien Architekten in erster Linie als Lückenbüßer für die ungenügende Personalausstattung der Bauverwaltung herhalten sollen.

das Interesse an reibungsfreier Abwicklung gegenüber dem baukulturellen Anspruch weit überwiegt.

Obwohl diese Argumente in Fachkreisen schon seit Jahren mit Nachdruck vorgebracht und diskutiert werden, bewegt sich in der Sache nicht viel. Auch der BDA oder die Wettbewerbsinitative Berlin e.V. konnten gegen Politik und Verwaltung bisher wenig ausrichten. Es werden alle möglichen Barrieren aufgerichtet, die die Vergabeordnung hergibt: Offenbar fehlt es schlicht am Willen, die gesetzlichen Spielräume für lebendigeren Wettbewerb und mehr Wagnis zu nutzen. Das hat viel mit dem falschen Ehrgeiz zu tun, Bauprojekte erster Linie möglichst schnell durchzuziehen.

Ulrich Pfannschmidt, München

Ungelöste Versprechen

Die Artikel und Interviews mit dem Architekten Stephan Braunfels geben eine traurige Geschichte wieder. Die Geschichte eines Architekten mit besonderen Fähigkeiten, mit einem natürlichen Sinn für Schönheit und einem untrügerischen Instinkt für räumliche Gestaltung. Was für ein Jammer, dass das Leben, wie er es führt, ihm, aber auch den gegenwärtigen sowie zukünftigen Mitmenschen diese Potenziale - mit wenigen Ausnahmen - lediglich als ungelöste Versprechen erlaubt. Das Pech von Braunfels ist, dass er in einem Zeitalter lebt, in dem diese Strukturen nicht mehr existieren. Und wenn es um Realisierung von Projekten mit visionärer Dimension geht, ist dies vielleicht nicht nur das Pech des Architekten.

Prof. Yaara Tal, München

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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