Medien:Lasst uns alle im Gespräch bleiben

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Georg Mascolo hat jüngst im Gesellschaftsteil Selbstkritik als Journalist geübt. Leserinnen und Leser danken ihm dafür, haben aber noch einige ergänzende Anmerkungen.

...so sollten Journalisten sein – egal, wo sie arbeiten. Collage: Sarah Unterhitzenberger (Foto: N/A)

" Frei, unabhängig, kritisch" vom 17./18. November:

Keiner ist unfehlbar

Georg Mascolos Artikel über Kriterien für Qualitätsmedien versöhnt mich wieder mit "den Medien". Wenn es solche Gedanken in Journalistenkreisen gibt, beruhigt mich das irgendwie. Ja, ich will eine freie Presse. Ich wünsche mir Journalisten, die auch mal einen Fehler eingestehen. Kein Mensch ist doch unfehlbar. Ich wünsche mir Journalisten, die Verantwortung übernehmen und eine Berufsehre haben. Kurzum, Mascolos Selbstkritik trifft ziemlich genau, was ich - und wahrscheinlich auch viele andere Menschen - vom Journalismus erwarten, erhoffen. Ja, bleiben wir im Gespräch. Ja, wir brauchen einander. Kritische und anspruchsvolle Leserinnen und Leser brauchen selbstkritische, aufrichtige, gute und engagierte Journalisten und Journalistinnen.

Karen Lill, Schifferstadt

Längst fällige Selbstkritik

Sicher haben viele diesen Artikel mit Kopfnicken und Sympathie für den Autor und die SZ gelesen. Pegida und AfD aber können triumphieren, weil sie leider wissen: Ohne uns hätte es diesen Artikel im November 2018 nicht gegeben. Nicht umsonst nennt Georg Mascolo einen Teil der heutigen Kritik am Journalismus "überfällig". Warum hat es hasserfüllter Menschen bedurft, um sie selbst zu artikulieren? Warum war ein solcher Artikel nicht schon 2014 möglich? Wenn er heute überfällig ist, dann war er vor vier Jahren zumindest fällig.

Ernst T. Mader, Blöcktach

Im Herdentrieb

Ich bin seit 40 Jahren Leser der SZ und schreibe auch selbst. Auch ich denke, dass Donald Trump die größte Katastrophe seit langem ist, und ich war Angela Merkel dankbar für das, was sie 2015 tat. Trotzdem möchte ich jetzt ein paar Punkte erwähnen, die zu beachten sind und in Georg Mascolos Artikel nicht unbedingt so vorkamen.

Während der Regierungszeit Gerhard Schröders wurde der Neoliberalismus immer mehr salonfähig. Soweit ich mich erinnere, fing das mit Tony Blair an und weitete sich dann über Schröder und seiner Agenda 2010 auch bei uns aus. Auch ich kann viele Gründe dafür finden, dass die damaligen Entscheidungen notwendig waren. Was mich aber über alle Maßen erstaunte, war, dass die SZ (mit vermutlich wenigen Ausnahmen) wie aus einem Horn in die Verherrlichung von Kürzungen von Sozialleistungen, Sanktionen für Arbeitslose, Reduzierung von Steuern für Unternehmer usw. stieß und keinerlei Raum blieb für andere Lösungen, die es sicher auch gegeben hätte. Ich fragte mich damals, wie kann es nur sein, dass eine Zeitung, die immer auch linke Positionen unterstützt hat, sich plötzlich so komplett und ohne irgendwelche Ausnahmen für solch eine Politik einsetzt?

Heute denke ich, dass wohl immer ein bestimmter Herdentrieb stattfinden wird, dem dann alle hinterher schreiben, um sich gegenseitig eine hohe Intelligenz zu bescheinigen. Da ist nichts Unrechtes dabei. Das ist ja menschlich. Aber als Leser hat man den Eindruck, dass man manipuliert wird.

In letzter Zeit tritt dieses Phänomen des Herdentriebs allerdings gehäuft auf. Zuerst wunderte ich mich, dass die SZ (und auch die Zeit etc.) plötzlich so unisono und begeistert von der EU war, als die ersten Kritiker aufkamen (Lucke-AfD etc.). Ich war einfach deswegen verwundert, da ich mich für eine intelligente und kritische Person halte, und ich muss sagen, dass ich von der EU nicht wirklich so begeistert bin. Auch die Themen, die von Anfang an bei der Asylpolitik große Probleme bereiteten, etwa dass 80 Prozent der Flüchtlinge junge Männer zwischen 20 und 28 waren, wurde lange totgeschwiegen oder einfach großzügig übersehen. Die Ängste der Frauen, nachts in die Städte zu gehen, nicht zu vergessen. Inzwischen werden gewalttätige Übergriffe regelmäßig in kurzen oder längeren Artikel veröffentlicht. Auch das ist natürlich ein Schmarrn. Ich kenne hier bei uns etwa 80 Asylbewerber sehr gut und noch keiner hat mit Gewalt etwas zu tun gehabt. Aber es ist ein Thema und gehört angesprochen.

Jetzt zu Trump: Ich kann die SZ-Artikel zu Trump überhaupt nicht mehr ertragen. Sie schreiben, dass in der SZ und anderswo Information, Meinung und Kommentar getrennt werden muss. Das denke ich auch. Ich habe noch so gut wie keinen Artikel über Trump gelesen, aus dem nicht offen oder wenigstens unterschwellig hervorgeht, was für ein Vollidiot er ist. Es ist völlig egal was er macht, es wird sofort bewertet und in Grund und Boden geschrieben. Denken Sie, ich oder wir sind nicht intelligent genug, uns selbst eine Meinung zu bilden?

Karl Giggenbach, Fischbachau

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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