Hambach:Mehr Wald und mehr Jobs

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Nach der vorläufigen Rettung des Hambacher Forstes stellt sich die Frage, wer letztlich wird weichen müssen: der Wald oder die Jobs. Leser wollen beides erhalten. Eine Leserin bezweifelt die Verheißung, dass erneuerbare Energien schnell neue Jobs schaffen werden.

" Jobs oder Wald" vom 9. Oktober:

Da sage ich nur: Jobs und Wald statt Jobs oder Wald. Der Artikel suggeriert mit seiner Überschrift ein Entweder-Oder, das nicht mehr zeitgemäß ist. Es lenkt den Blick auf vergangenes Wirtschaften, anstatt auf das enorme Innovationspotenzial, das in einer Transformation zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien liegt. Als hätte RWE nicht mitbekommen, dass es den Klimawandel und die Energiewende gibt. Jahrzehnte ist schon bekannt, dass wir unsere Nutzung fossiler Energieträger herunterdrosseln und auf die Erneuerbaren Energien umsteigen müssen. Da kann eine konservative Unternehmenspolitik in diesem Riesenkonzern nicht als unüberlegtes oder zufälliges Handeln gesehen werden. Sie haben diesen Weg absichtlich gewählt.

Um das Wohlergehen der Weltbürger zu sichern, muss es so gehen wie es der frischgebackene Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus angeregt hat. Es muss eine Kohlendioxid-Abgabe, am besten international, beschlossen werden, die dazu führt, die wahren Kosten der Erdüberhitzung aufzuzeigen und entschlossen gegenzusteuern. Wenn das, wie in der Schweiz, mit einer Pro-Kopf-Rückerstattung gekoppelt würde, würden die Einkommensschwachen nicht darunter leiden, und es würde für gesellschaftliche Akzeptanz gesorgt.

Annette Schulze, Weilheim

RWE interessiert das nicht

Mein Gott, hört dieser Unsinn denn niemals auf, selbst in der SZ nicht, deren bisherige Berichterstattung über den Hambacher Forst sich wohltuend von der FAZ unterschieden hatte? Als ob man die Vernichtung von Wäldern mit Jobs rechtfertigen könnte. Jobs für uns und ein zerstörter Planet für die nachfolgenden Generationen. Und, als ob es RWE um Jobs ginge. Die erste Reaktion von RWE auf den richterlichen Rodungsstopp war ein Verweis auf mehrere 100 Millionen Euro Gewinn(!)einbuße (für die Aktionäre).

Peter Putschmann, Osnabrück

Differenziert betrachten

Die Demonstranten engagieren sich aus Überzeugung gegen Braunkohle und damit für den Umweltschutz. Das klingt zunächst vorbildlich und lobenswert. Aber leider ist die ausschließlich ökologische Betrachtungsweise vieler Umweltschützer sowohl unrealistisch als auch sehr einseitig. Denn man darf keinesfalls die ökonomische bzw. soziale Komponente der Nachhaltigkeit gänzlich außer Acht lassen.

Aus ökonomischer Sicht bringt der (rasche) Kohleausstieg enorme Verluste, weil bei Schließung der Kraftwerke zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen. In sozialer Hinsicht bedeutet dies wiederum mehr Armut sowie steigende finanzielle Not. Und folglich könnten sich durch einen Anstieg von Armut deutlich weniger Menschen die bislang teuren alternativen Energien (wie Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach) leisten. Das könnte zum bundesweiten Stromkollaps führen, was neue gesellschaftliche Probleme zur Folge hätte.

Daher sollte man wie beim Dreieck der Nachhaltigkeit stets mehrere Aspekte differenziert betrachten. Letztendlich kann ein ökologisches Gleichgewicht nur auf der Basis von paralleler ökonomischer/sozialer Sicherheit entstehen.

Julia Engels, Elsdorf

Krönender Abschluss

Es heißt in oben genanntem Kommentar: "Dass der Wald nun für ein bis zwei Jahre erhalten bleibt, ist aber nicht den Besetzern zu verdanken, sondern einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland." Hierzu sei mir folgende Anmerkung erlaubt: damals, 1986 in Wackersdorf, als auch heute im Hambacher Forst, waren es die Aktivisten, die es geschafft haben, faits accomplis zu verhindern. Sowohl die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf wäre heute gebaut (und natürlich in Betrieb) als auch der letzte Teil dieses Urwaldes bei Hambach gerodet, wenn sich nicht diese durchaus mutigen Menschen aufgerafft und den Preis für die Wirtschaft und die Regierung hochgetrieben hätten durch ihren zivilen Ungehorsam. Ihnen, nur ihnen, ist es grundsätzlich zu verdanken, dass der "Hambi" noch steht. Diese Aktivisten haben meinen meterhohen Respekt.

Dass die Klage vom BUND letztendlich politischer Anstoß war, dass er vorerst nicht gerodet wird, ist ja durchaus auch richtig, aber der BUND hätte ohne die Aktivisten moralisch gewonnen mit der dann doch vollendeten Tatsache eines verschwundenen Urwaldes - abgesehen davon, dass es dann auch keiner Eilentscheidung bedurft hätte.

In meinen Augen hat die momentan gültige Erhaltung des Symbols "Hambacher Forst" viel mit dem Symbol "Hambacher Fest" zu tun, welches vor fast 200 Jahren in Hambach in Rheinland-Pfalz stattgefunden hat und als Höhepunkt einer bürgerlichen Opposition gilt, quasi der Vormärz zur Märzrevolution im 19. Jahrhundert. Dass hier nur eine zufällige Namensgleichheit bezüglich "Hambach" existiert, übersehe ich in diesem Zusammenhang geflissentlich: Für mich sind diese sechs Jahre des Widerstands mit dem vorerst krönenden Abschluss ein Hambacher Fest im Hambacher Forst.

Tommy Jürgensen, Vaterstetten

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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