Emil Nolde:Wohin mit den Bildern?

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Seit Kanzlerin Merkel ein Bild des als antisemitisch eingestuften Künstlers abgehängt hat, gibt es eine rege Diskussion über die Präsenz der Werke von Emil Nolde. SZ-Leser beurteilen Bilder und Künstler sehr differenziert.

Zu "Hängt sie auf" vom 15./16. Juni:

Weder hat sich Frau Merkel mit dem Abhängen von Noldes Gemälde "in die Handlungsweise der Nazis gestellt" noch erinnert es "an die Gepflogenheiten im Stalinismus". Im Gegensatz zu ideologisch getriggerten Vorgehensweisen in totalitären Regimen war die Geisteshaltung Noldes objektiv falsch und moralisch verwerflich: antisemitisch, menschenverachtend. Es ist folgerichtig und konsequent, wenn ein demokratischer Staat, der sich auf allen Ebenen mit der Vergangenheit auseinandersetzt und vom NS-Staat distanziert, die korrekte Ablehnung auch auf Individuen ausdehnt, die zu den geistigen Unterstützern der nationalsozialistischen "Weltanschauung" gehörten und damit den Nährboden für Krieg und Vernichtung bereiteten.

In staatlich-politischen Einrichtungen - und das Bundeskanzleramt ist ein herausgehobenes "Schaufenster" der Bundesrepublik - hat Nolde nichts verloren. In staatlich-kulturellen Einrichtungen - dazu gehören Museen - muss er weiter gezeigt werden, um die kritische Auseinandersetzung mit Autor und Werk aufrecht zu halten.

Dr. Benny Levenson, Berlin

Bald 30 Jahre nach der Wende ist die Zeit überreif, sich mit der Kunst der ehemaligen DDR eingehend zu befassen. Es wird sich zeigen, wie viele Schnittstellen zwischen den Künstlern in West und Ost im Bereich der gegenständlichen/figurativen Kunst festgestellt werden können. Auch so renommierte Künstler wie Georg Baselitz und Gerhard Richter stammen aus Sachsen und wurden in der DDR ausgebildet, bevor sie diese verließen. Nicht korrekt ist es, die Kunst der DDR in einem Atemzug mit der NS-Kunst zu nennen oder gar gleichzusetzen. Die Kunst der DDR basiert auf der Kunst der "entarteten" Künstler und der NS-verfolgten linken Künstler, die zum Teil in KZs festgehalten wurden. Also völlig andere Voraussetzungen als bei der NS-Kunst.

Thomas Topp, München

Schöpfer und Werk sind nicht identisch. Man kann einem Kunstwerk nicht den Prozess machen. Ein Werk besteht als Kunstwerk oder nicht. Auch wenn man es in den Keller bringt, den Augen des Publikums entzieht, bleibt es doch ein Kunstwerk. Das Gegenüber von Nolde und Ziegler illustriert das schön. "Die Elemente" ist allenfalls Gebrauchsgrafik, das Bild hat in einem Kunstmuseum nichts zu suchen. Es gehört allenfalls in ein Geschichtsmuseum. "Gaut der Rote" von Nolde dagegen lebt vor allem durch die schräge Realisierung des Themas. Die Sehnsucht nach nordischem Heldentum befriedigt es nicht.

Noldes Werk hat etwas völlig Unheroisches, das gar nicht der Nazi-Ideologie entsprach. Sollen Werk und Bewunderer jetzt dafür büßen, dass sein Schöpfer ein politischer Wirrkopf war? Wie viel Kunst müsste da brennen? In welchem Jahrhundert leben wir?

Andreas Kalckhoff, Stuttgart

© SZ vom 10.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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